Es war einer der besten Burger, den ich jemals gegessen hatte. Nicht weil dessen Geschmack so nah an jenen von Fleisch gekommen wäre, sondern weil irgendwie alles stimmte: Die Konsistenz des hausgemachten Brötchens, der Geschmack des Bratlings und das herrliche Mango-Chutney anstelle von ordinärem Ketchup. Nun macht Vegiman Ende September 2018 endgültig zu, diese kleine Ruheoase am Feldbergkiosk, mitten in Kleinbasel. Aber darum geht es eigentlich gar nicht in diesem Blogpost. Und doch irgendwie schon. Denn auch andere Restaurants, Geschäfte oder Cafés kämpfen um ihr Überleben. Aus diesem Grund habe ich dieses neue Format geschaffen – um die Besitzer*innen selbst mal zu Wort kommen zu lassen. Sie sitzen beide im kleinen Wintergarten im Hinterhof ihres veganen Ladens, als ich am Mittwoch vorbeischaue, um mit Renée und Fatih ein Interview zu führen. SaoiAebi: Fangen wir vielleicht mal ganz vorne an: Wer seid ihr eigentlich? Renée: [lacht kurz auf] Wir sind zwei Privatleute, die den Veganismus etwas vorantreiben wollen. Deshalb haben wir diesen Laden auch vor ein paar Jahren eröffnet. Fatih: Genau. Eigentlich wollten wir beweisen, dass man mit veganen Lebensmitteln auch wirtschaftlich überleben kann; dass das nicht nur eine "Spinneridee" ist; sondern dass wir eine Nische füllen können: Ein Laden, wo keine industrielle Massentierhaltung unterstützt wird. Renée: Und auch, dass man einfach so ohne zu überlegen zugreifen kann. Als ich anfangs vegan wurde, musste ich immer nachfragen oder bei jedem Produkt die Zutatenliste anschauen. Bei unserem Laden ist einfach alles vegan und zwar noch zu einem Preis, der bezahlbar ist. SaoiAebi: Wann habt ihr denn eigentlich genau angefangen? Fatih: Angefangen hat alles am 18. August 2014, damals noch an der Missionsstrasse, in der Nähe des Spalentors. Umgezogen sind wir erst im Juni dieses Jahres. SaoiAebi: Was war denn der Grund für diesen Standort-Wechsel? Fatih: Hier an der Schneidergasse haben wir eröffnet, weil wir einen deutlichen Rückgang im Umsatz bemerkt hatten und wir uns vom neuen Standort mehr Laufkundschaft erhofften. Und dann haben wir per Zufall diese tolle Location gekriegt. Renée: Es war auch immer unser Ziel, dass wir wachsen und grösser werden, damit wir mehr Produkte anbieten können und nicht alles so eng und ungemütlich ist. Auch wegen unserem Online-Shop, wofür wir ja ein grosses Lager brauchen. Und jetzt können wir endlich auch wieder mehr Öffnungszeiten anbieten – und das mitten in der Altstadt. Fatih: Es gibt fast keinen veganen Laden in der Schweiz, der so zentral in der Stadt liegt wie unseren. Das ist nicht selbstverständlich. Jetzt können uns alle erreichen – auch die vom Kleinbasel. „Wir zahlen uns keine richtigen Löhne, denn so etwas wie Gewinne kennen wir nicht. Mit vegan ist noch niemand reich geworden!“ (Fatih) SaoiAebi: Wie läuft es denn konkret heute? Renée: Naja, schwierig... [hält kurz inne] Heute Morgen hatten wir beispielsweise praktisch keine Kundschaft, vielleicht ein bis zwei Personen. Das ist halt schon sehr, sehr wenig. Fatih: Es ist auch recht schwierig, die Stammkunden von früher wieder zu mobilisieren. Die sind halt auch ein bisschen gemütlich. Renée: [lacht] Gemütlich, ja... Also Stammkunden sind schon wichtig, aber wir bräuchten halt auch Leute oder Familien, die etwas grösser einkaufen, nicht nur eine Tafel Schokolade oder eine Hafermilch. So überlebt der Laden natürlich nicht. Aus diesem Grund haben wir auch Produkte wie Teigwaren, Mehl, veganen Wein, Kosmetikprodukte oder Putzmittel bei uns im Angebot. Aber irgendwie läuft es im neuen Ort mit mehr Öffnungszeiten und mehr Service bislang nicht besser als früher. Fatih: Das ist vor allem auch deshalb komisch, weil wir die Preise reduziert haben im Vergleich zu früher. Aber trotzdem hat man wohl das Gefühl, dass aufgrund der neuen, zentralen Lage des Shops alles massiv teurer geworden wäre. Dabei stimmt das bei vielen Produkten gar nicht. Unsere veganen Schuhe sind zum Beispiel so günstig, dass wir sogar viele Bestellungen aus Deutschland kriegen. „Früher haben die Leute immer gejammert, weshalb wir nicht in die Innenstadt ziehen. Jetzt sind wir da, aber die Kundschaft bleibt grösstenteils aus.“ (Fatih) SaoiAebi: Die grosse Konkurrenz von euch ist ja Coop, Migros und Co. Wie beurteilt ihr die Lage? Renée: Es ist natürlich einfacher, alles in einem grossen Supermarkt einzukaufen. Da findet man alles an einem Ort. Aber es macht die Sache natürlich auch schwierig für kleinere Geschäfte wie unseres. Fatih: Coop und Migros sind halt auch die Vertreter der Fleischlobby. Denen ist die ganze Idee hinter dem Veganismus ziemlich egal. Wenn ein veganes Produkt nicht mehr funktioniert, wird es halt wieder aus dem Sortiment gestrichen. Bei uns geht's halt wirklich um die Sache. Und dieses System der Ausbeutung will ich einfach nicht unterstützen. SaoiAebi: Ziel dieses Interviews ist ja auch etwas, dass die Leute da draussen realisieren, dass viele dieser tollen Geschäfte und Restaurants ums Überleben kämpfen und auch davon leben, dass genügend Kundschaft besteht. Alle freuen sich, wenn ein verpackungsfreier Laden in der Nähe aufmacht und alle trauern, wenn ein veganer Vorreiter wie Vegiman schliesst; aber wie viele sind wirklich bereit, diese Läden auch regelmässig zu besuchen und finanziell zu unterstützen? Dennoch wollte ich natürlich auch etwas konstruktive Kritik von der Kundschaft an euch zurückleiten, damit die Kritik nicht nur einseitig ist. Genannt wurde vor allem das Schaufenster, das allenfalls etwas optimaler und einladender gestaltet werden könnte sowie die ausufernden Monologe von dir, Fatih. Fatih: [lacht laut auf] Schau mal, manchmal kommen Leute rein und provozieren halt mit Aussagen wie „Im Coop ist das aber viel günstiger!“ und dann geh' ich halt aus mir raus und halte einen kleinen Monolog. [Alle lachen] Fatih: Nee, aber im ernst. Ich habe keine Lust mehr unnötige Diskussionen zu führen. Diese Zeiten sind vorbei. [Renée lacht] Es ist mir und Renée wichtig, an dieser Stelle auch zu sagen, dass fast alle unserer Kunden super sympathische Leute sind und uns Tag für Tag auf's Neue motivieren. Ich habe mir persönlich das Ziel gesetzt, den Kunden und Kundinnen nur auf ihren expliziten Wunsch hin eine ausführliche Beratung und Betreuung zu unseren Produkten zukommen zu lassen. Und ausserdem arbeite ich auch nicht mehr so häufig da. Ich habe ja noch einen anderen Job, damit wir unsere privaten Rechnungen bezahlen können. Renée: Also beim Schaufenster haben wir jetzt immerhin mal mehr Platz und es ist nicht mehr so vollgestopft wie früher. Ausserdem haben wir den Schriftzug „100% vegan“ weggenommen, weil das bei vielen Nicht-Veganer*innen nicht so gut ankommt. Wie oft haben wir schon erlebt, dass Kunden reinkommen und sich an der Kasse quasi entschuldigend mitteilen, nicht Veganer zu sein. Der Schriftzug am Schaufenster habe bei diesen Leuten suggeriert, dass eher Veganer im Gingi erwünscht seien. Dies ist sicher nicht der Fall. Bei uns ist jeder willkommen! Und natürlich versuchen wir immer wieder was Neues auszuprobieren und sind auch offen für Kritik oder Ideen. „Wir wollen niemanden bekehren oder so. Wir wollen, dass die Kunden neue Produkte kennenlernen und sich öffnen.“ (Renée) SaoiAebi: Etwas anderes: Was sind eure Lieblingsprodukte bei euch im Laden? Ich mag ja beispielsweise die Schokolade von Rapunzel, den Camemvert von Gourvegi, das „Vondue“ von Vegusto oder das pflanzliche Trockenfutter für Haustiere. Was mögt ihr so für Produkte? Renée: Also eigentlich habe ich keine eindeutigen Lieblingsprodukte oder so. Aber die veganen Gipfeli und der vegane Zopf, welchen wir am Samstag verkaufen, mag ich schon sehr. Fatih: Ich mag unsere neuen Sandwiches. Mir war es nämlich wichtig, deftige Sandwiches anzubieten, nicht so Klischee-vegane Dinger, die kalorienreduziert sind und man danach noch Hunger hat. SaoiAebi: Letzte Frage: Welche Produkte vermisst ihr persönlich in eurem Geschäft? Was fehlt noch? Renée: Sicher noch bessere Käse-Alternativen. Da finde ich, dass es noch zu wenig richtig tolle Ersatzprodukte gibt, obwohl ich mich da auch schon sehr daran gewöhnt habe und es nicht mehr so vermisse wie früher. Zudem sehne ich mich in letzter Zeit mehr nach vollwertiger Kost - vielleicht auch deshalb, weil wir regelmässig Lebensmittel essen müssen, die in unserem Laden aufgrund des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht mehr verkauft werden können. Fatih: Ich bin gerade sehr tolle polnische Bio-Schokolade am Bestellen. Die gibt's in der Schweiz noch nirgends und ist nicht nur sehr lecker, sondern auch äusserst preiswert für eine richtig gute, ökologische Schokolade. Diese sind hoffentlich spätestens Ende September bei uns im Laden erhältlich. Renée: Auf die neuen Kuchen und Torten der Confiserie Flubacher freue ich mich aber auch. Die werden wir zukünftig stückweise anbieten. Bleibt bloss zu hoffen, dass wir die dann auch wirklich verkaufen können... Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Gingi
Schneidergasse 30, 4051 Basel Öffnungszeiten: Mo: 12:00 - 18:30 / Di - Mi: 10:00 - 18:30 / Do: 10:00 - 20:00 / Fr: 10:00 - 18:30 / Sa: 10:00 - 17:00 Haltestelle: Marktplatz (Tram: 6, 8, 11, 14, 15, 16, 17)
3 Comments
Tom
16/9/2018 11:40:21 pm
Hey cool,
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Halina Steiner
17/9/2018 07:11:41 am
Toll, dass es solche Lade gibt. Ich komme einmal vorbei und werde ich mich umschauen. Meinen Sohn hat mir Euch empfohlen. Ich bin gespannt auf die Begegnung und auf Ihre Produkte.
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SaoiAebiLebenskünstler, Philosoph, Hobbykoch, Balkongärtner, Freelanceaktivist, Lehrer, Katzen- und Tierfreund, Spirituosenliebhaber, Melancholiker, Musiker, Gesellschaftskritiker, Mensch, Lebewesen, Materie. Oder so. Archives
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