Es gibt gewisse Dinge, die sind aus ökologischer Sicht zurecht stigmatisiert: Fliegen, Fleisch, Autos oder Kohle.
Dann gibt es Dinge, die sind nur teilweise zurecht verpönt, da weniger problematisch als gemeinhin angenommen: Nicht-Bioprodukte, Avocados, Plastiköhrchen und Raschelsäcklein. Und dann gibt es eben auch noch jene Dinge, die man nicht so auf der Liste hat, obwohl sie eigentlich problematisch oder zumindest diskutabel wären: Kokosfett, Kaffee, Kakao, Kinderkriegen oder übermässiger Konsum von Kleidung, Kosmetik etc. Und dann wäre da noch das Internet. Streaming, Social Media und Co. scheinen die meisten Menschen nicht auf dem Radar zu haben (umgekehrt haben Google, Facebook und Co. uns leider schon auf dem Radar...), obwohl dieser Bereich immer relevanter für unsere Klimakrise wird. Dies legt zumindest eine Studie der Organisation „The Shift Project“ nahe, welche davon ausgeht, dass die weltweiten Treibhausgasemissionen der Informations- und Kommunikationstechnologie, kurz ICT genannt (darunter fällt neben den Internet-Aktivitäten auch das generelle Verwenden von technischen Geräten wie Laptops und Smartphones), mittlerweile knapp 4 % betragen. Problematisch ist diesbezüglich vor allem der steile Anstieg dieser Emissionen in den letzten paar Jahren, was wohl damit zu tun hat, dass mittlerweile selbst die meisten Primarschüler*innen ein Smartphone ihr Eigen nennen können und dank immer schneller werdendem Internet generell immer mehr Leute exzessiv davon Gebrauch machen. Gemäss der Studie könnte bei Fortsetzen des Trends im Bereich des verbrauchten Datenvolumens die ICT-Branche in den nächsten acht Jahren auf ungefähr 10 % ansteigen, was dem Schadstoffausstoss aller Personenfahrzeuge, Motorräder sowie der Luftfahrt entspricht. Und doch spricht fast niemand darüber. Ein Grund dafür ist, dass die meisten Menschen ihre Fähigkeit, kritisch denken zu können, nicht auf alle Lebensbereiche anwenden, was einerseits sinnvoll ist, weil wir sonst alle verrückt werden würden, aber andererseits auch dazu führt, dass wir viele gebildete und kluge Menschen haben, die beispielsweise höchst religiös sind und gewisse Bibel-Fake-News nicht entlarven können/wollen oder tierische Produkte wie Fleisch und Milch konsumieren und damit ein ausbeuterisches, perfides System unterstützen, obwohl sie eigentlich Tieren und der Umwelt keinen Schaden zufügen wollen. So hinterfragen auch wenig Menschen den ökologischen Impact von Instagram-Feeds und Netflix-Streaming – oder dann bleibt ein solcher kritischer Gedanke nichts weiter als ein kurzes Pop-Up-Fenster, das man eilig wieder wegklickt. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die negativen Auswirkungen der ICT-Branche oder die dafür benötigte (meist graue) Energie für den Konsumenten oder die Konsumentin nicht wirklich ersichtlich sind (siehe Blogpost „Die Abstraktion der Gewalt“). Wir haben ja keine Server im Wohnzimmer stehen, wo ein Stromzähler angebracht ist. Die stehen in der Regel woanders, häufig nicht mal im gleichen Land, wo wir wohnen. Dies macht die Wahrnehmbarkeit der physischen Realität von digitalen Proukten so schwierig. Oder wer wusste beispielsweise, dass zur Datenübertragung sogenannte Seekabel verlegt werden, die mehrere tausend Kilometer lang sind? Ohne diese Unterseekabel, wovon immer mehr gebaut werden müssen (von 2012 bis 2014 verdoppelte sich beinahe die Anzahl Kabel) würde der Datentransfer gar nicht erst funktionieren; denn über 95% des Internetverkehrs zwischen den Weltregionen werden durch diese Kabel übertragen. Und da kommen wir ins Spiel. Denn: Je mehr Daten wir übertragen, desto mehr Energie braucht es, desto mehr CO2 wird produziert, desto mehr erhitzt sich das Klima, desto mehr langfristige Probleme kriegen wir. Früher konnte man mit den harmlosen Nokia-Handys nur Textnachrichten (SMS) und Bildnachrichten (MMS) schicken, wobei letztere jedoch deutlich teurer waren. Heute haben wir hingegen All-Inclusive-Abos und es ist uns aus finanzieller Sicht egal, ob wir unserem Gegenüber bloss einen 160-Zeichen-Text, eine (meist zu) lange Sprachnachricht, ein hochauflösendes Bild oder gar ein Video schicken. Doch während eine Textnachricht lediglich ein paar wenige Kilobyte benötigt, sind es bei einer einminütigen Sprachnachricht schon ungefähr 150 mal mehr Datenvolumen. Ein durchschnittliches Bild ist im Schnitt hingegen ungefähr 500 mal grösser. Ein kurzes Video hingegen kann bereits locker 10'000 mal mehr Datenmenge benötigen als eine SMS. Bedenken muss man auch, dass nicht nur das Hochladen Energie benötigt, sondern auch das Bereitstellen/Lagern sowie Runterladen. Bei Instagram werden dementsprechend hunderte Bilder bereits beim Öffnen der App heruntergeladen. Und auch die Facbook-Timeline, welche immerhin neben Bildern auch teilweise nur Text-Beiträge beinhaltet, kann bereits in einer Minute mehrere Megabyte Datenvolumen benötigen. Im Vergleich zu Instagram, Facebook und Co. ist selbst Spotify noch ökologischer, welches ungefähr 1 MB pro Minute beansprucht. Und da kommen wir langsam zu den grössten Sündern, den Streamingdiensten. Eine Minute Youtube schauen benötigt je nach Qualität locker 10 MB. Wer sich also einen Abend lang durch diverse Videos klickt, verursacht indirekt also eine grosse Menge an klimawirksamen Gasen. Ungefähr ähnlich gross ist die Datenmenge bei Netflix, wenn die kleinste Qualitätsstufe gewählt wird. Schaltet man jedoch Ultra-HD ein, steigt die Datenmenge um bis auf das Zehnfache an (ca. 7 GB pro Stunde). Und da dies auch hier finanziell für uns keinen Unterschied macht, wählen die meisten von uns die beste Qualität – und damit die unökologischste Option. Damit man sich darunter auch etwas vorstellen kann: Schaut man eine Stunde Netflix in Ultra-HD-Qualität, so entspricht dies knapp 100 kWh, was so viel entspricht wie 66 Stunden die Herdplatte auf höchster Stufe laufen zu lassen, 111 Stunden den Staubsauger zu betätigen, mit dem Auto von Basel nach St. Gallen (ca. 170 km) zu fahren oder dem durchschnittlichen Stromverbrauch eines Zwei-Personen-Haushalts in zwei Wochen - exzessives Netflix-Streaming ausgenommen. Natürlich sind diese steigenden ICT-Emissionen nicht nur auf einzelne Konsument*innen zuürckzuführen: Auch in der Industrie und in anderen Lebensbereichen (Journalismus, Gesundheitswesen etc.) wird immer mehr auf Digitalität gesetzt. Dennoch ist unser individuelles Verhalten genau jener Ort, wo wir ansetzen können. Aus diesem Grund habe ich ein paar Tipps formuliert, wie man dem durch Streaming und Co. mitverursachten Klimawandel entgegenwirken könnte: - Wie bereits offensichtlich wurde, könnte man bei Netflix, Youtube etc. immer die niedrigste Qualitätsstufe auswählen (und hey, ist immer noch deutlich besser als die Qualität von VHS-Kasetten, mit welchen meine Generation noch aufgewachsen ist ;-)). - Das gleiche gilt für den Download von Videos (Stichwort Torrents), wo man statt der letzten „Game Of Thrones“-Folge in 1080p (ca. 4 GB) einfach eine HDTV-Version (ca. 400 MB) nehmen könnte, welche etwa 10x kleiner ist (und damit könnte man gleich die ganze Season runterladen und würde energiete- und umwelttechnisch immer noch deutlich besser dastehen als mit einer einzigen 1080p-Folge). - Auf Whatsapp nur sehr selten Videos verschicken und wenn möglich Sprachnachrichten und Bilder durch Textnachrichten ersetzen. Vor allem die Sprachnachrichten sind zwar für den Sender angenehm, aber für den Empfänger sehr unpraktisch, da wenig gut überschaubar und inhaltlich ziemlich ineffizient. - Auch wenn ich das rigorose Bäumefallen in urbanen Gegenden aufgrund der neu geplanten 5G-Mobilfunk-Antennen als deutliche Fake News entlarven muss und mir zumindest unsicher bin, ob diese tatsächlich so gravierendere Gesundheitsschäden verursachen werden wie von einigen Kritikern angenommen, so muss ich mich doch aus ökologischen Gründen gegen die Einführung von 5G aussprechen. Denn je schneller unser mobiles Internet wird, desto verführerischer wird es für uns davon exzessiv Gebrauch zu machen (und noch mehr zu streamen während der nächsten Zugfahrt oder Wartezeit). Hinweis: Es gibt übrigens mehrere Online Petitionen gegen die Einführung von 5G. Eine davon findet ihr HIER. - Auch kann man grundsätzlich sagen: Je kleiner das technische Gerät, das man verwendet, desto weniger Energie bedarf es. So ist es deutlich ökologischer mit dem Smartphone rumzusurfen als mit dem Laptop, da das Display einen beachtlichen Teil der Energieaufwendung verursacht. Mein neues Shiftphone ist zum Beispiel lediglich 5 Zoll gross, während mein altes Macbook Pro mit 15 Zoll drei Mal so gross ist. - Wenn wir gerade beim Display sind: Helligkeit massiv runterfahren. In der Regel sind unsere Augen recht flexibel und können sich auch an dünklere Hintergrund-Einstellungen gut gewöhnen. - Sparsamer umgehen mit bereits installierten Apps (Müssen wir wirklich mehrmals täglich unseren Insta-Feed checken?) und insgesamt weniger Apps verwenden (Brauchen wir wirklich eine App, die unsere täglich-geleisteten Schritte zählt und uns – wortwörtlich! – auf Schritt und Tritt folgt?). - Und last but not least: Mehr digitale Pausen einlegen, in welchen wir Laptop, Smartphone und Co. weglegen (oder noch besser: ausschalten!) und uns analogen Dingen widmen. Deshalb: Jetzt gleich das Gerät runterfahren, mit welchem du diesen Text gelesen hast, und dann die nächste Stunde einfach etwas durch die Stadt flanieren oder durch Wälder und Wiesen streifen.
5 Comments
Simu
3/6/2019 12:26:49 pm
Beitrag gelesen. Merci für die Info, hab umgehend den Auto-Abspielmechanismus bei FB entfernt, das hat mich sowieso genervt. Cheers Simu
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Janka Speglitz
17/6/2019 12:17:51 am
Vielen Dank für die genaue Info!👍
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Kleines Update: Im Moment ist es so, dass immer mehr Smartphones auf den Markt kommen, die 4K-Videoaufnahmen machen können.
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SaoiAebiLebenskünstler, Philosoph, Hobbykoch, Balkongärtner, Freelanceaktivist, Lehrer, Katzen- und Tierfreund, Spirituosenliebhaber, Melancholiker, Musiker, Gesellschaftskritiker, Mensch, Lebewesen, Materie. Oder so. Archives
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