Abgesehen von der interessanten Begegnung mit dem emeritierten Philosophie-Professor, den Lehren über das Älterwerden und der Auseinandersetzung mit den schicksalhaften Folgen einer Demenz hat mir der Zivilschutz-Wiederholungskurs – wenn ich ehrlich bin – nicht sonderlich viel gebracht. Sicherlich war es nicht ganz so schrecklich wie andere WKs, welche ich auch schon erleben musste; WKs, bei welchen ich bereits am allerersten Tag beim Bullshit-Bingo gewonnen hätte (von Rassismus, Sexismus, Homophobie, Verschwörungstheorien über Vegi-Gutmensch-Hate usw.). Und trotzdem bestand der Einsatz auch dieses Mal zu einem grossen Teil aus Warten und – daraus resultierend – Langeweile. Immerhin war dieses Mal der effektive Anteil der WK-Einführung in einem üblicherweise Neonröhren-beleuchteten Zivilschutz-Bunker relativ gering. Nur kurz mussten wir uns mässig witzige Anekdoten aus dem Leben eines Oberstleutnants anhören (beispielsweise eine Erzählung über das postwendende Eintreten von Durchfall in einem heiligen, indischen Tempel [„Jo, das esch au no speziell gsi!“] oder der Vergewaltigung einer 80-jährigen Altersheim-Bewohnerin durch einen 25-jährigen Berner Zivilschützer [„Ebe scho au no e luschtigi Gschicht gsi!“]). Und zumindest handelte es sich bei diesen Zivilschutz-Wiederholungskursen um keine monatelangen Militäreinsätze, sondern um lediglich ein paar wenige Tage im Jahr. Obwohl solche Wiederholungskurse einige Schattenseiten mit sich bringen, sollte man dennoch vier Vorteile hervorheben: Erstens muss man seine „Social Bubble“ mal wieder verlassen und merkt dabei unweigerlich, dass nicht alle Leute sich gleichermassen mit Weltproblemen herumschlagen oder mit Aktivismus beschäftigen (oder sich nicht alle Mitmenschen mit Autos und Ballerspiele die Zeit tot schlagen). Zweitens ist man durch diese heterogenen Einstellungen und Perspektiven dazu gezwungen, seine eigenen Überzeugungen zu überdenken oder zumindest auf den Prüfstand zu stellen (etwas, was man regelmässig tun sollte, um den kritischen Geist wach zu halten). Drittens stellt man dann womöglich auch fest (natürlich nicht alle Zivilschützer gleichermassen), dass man sich in vielen Themenbereichen bereits eine fundierte, mit vernünftigen Argumenten begründbare Meinung gemacht hat, welche dann in Diskussionen auch potentiellen Scheinfakten oder problematischen Haltungen entgegenwirken kann. Und viertens resultierte daraus die Erkenntnis, dass erwachsene Menschen ziemlich „lernresistent“ und wenig offen für neue Gedanken oder Ansichten sind. Natürlich ist beim letzten Punkt nur die daraus hervorgegangene Erkenntnis als Vorteil zu werten; denn ansonsten ist ja diese Tatsache (oder These) nicht gerade sehr förderlich, was den Fortschritt unserer Gesellschaft respektive unserer „geistige Evolution“ anbelangt. Während die Jugendlichen in der Schule der Lehrperson zuhören (naja, zumindest mehr oder weniger) und versuchen die übermittelten und hoffentlich sinnvollen Lerninhalte irgendwie zu verinnerlichen, stösst man bei Erwachsenen teilweise auf unüberwindbare Schranken, egal wie viel überzeugende Argumente man liefern mag. Aus diesem Grund schlage ich folgende Idee vor: Anstelle eines Wiederholungskurses – sei es nun Militär oder Zivilschutz – müssen sich alle Erwachsenen Mitte zwanzig (Frauen inklusive; im Gegensatz zur aktuellen Wehrpflichtsituation, wo ich für „unfreiwillig-dienstleistende Männer exklusive“ plädieren würde) jährlich in eine Art „Erwachsenenschule“ begeben, wo sie sich mit aktuellen Lerninhalten sowie gesellschaftlichen Problemen, globalen Themen oder philosophischen Gedankenspiele auseinandersetzen müssen. Gewisse Kompetenzen wie beispielsweise kritisches Denken oder das Verifizieren von Thesen sollten in dieser Institution gefördert und anschliessend auch getestet* werden. So würde man zwar die horrenden Ausgaben, die aktuell jährlich für das Militär (und ferner: Zivilschutz/-dienst) anfallen, nicht wirklich eindämmen können, weil dies ja für alle SchweizerInnen Pflichtprogramm wäre und niemand mehr Wehrpflichtersatz zahlen müsste (andererseits gäbe es nur intensive Wochenkurse anstelle von monatelangen, kostspieligeren Aufgeboten); aber man könnte immerhin für das gleiche Geld ganz viele „alternative Fakten“ ausmerzen und den gesellschaftlichen Fortschritt fördern. Und meine Motivation für den nächsten WK-Einsatz natürlich ebenfalls. *Als Abschluss hier noch ein kleiner "Der etwas andere WK"-Test für alle neugierigen LeserInnen (Auflösung unterhalb des Blog-Coverbilds): Fragen: 1) „Wie viel Energie (in Prozent) kann bei der Produktion von Aluminium eingespart werden, wenn man es rezykliert?“ 2) „Kann man Impfungen durch Homöopathie ersetzen?“ 3) „Wie viel Prozent des südamerikanischen Regenwalds wird für die weltweite Viehzucht gerodet?“ 4) „Wie viele Endlager für Atommüll sind aktuell weltweit in Betrieb – und zwar nicht nur als Pilotprojekt, sondern fix auf unbestimmte Zeit?“ 5) „Brauche ich ein gutes Stück Fleisch, um genügend Proteine zu kriegen?“ 6) „Wie viel Zugreisen innerhalb Europas kann man ungefähr tätigen, um aus ökologischer Sicht gleich schlecht dazustehen, wie wenn man einmal interkontinental fliegt?“ 7) „Wie viel Prozent der Schweizer Masthühner haben tatsächlich Auslauf im Freien? Und wie viel Zentimeter Stangenplatz steht einer Schweizer Legehenne zur Verfügung? 8) „Will uns der Bundesrat mithilfe von Chemtrails vergiften?“ Auflösung:
1) Bis zu 95% der Energie kann durch das Recycling eingespart werden. 2) Ja, kann man schon. Die Wirkung ist einfach ungefähr gleich gross, wie wenn man Hömopathie als Verhütungsmittel einsetzt (siehe auch Antwort zu Frage 4). 3) Zwischen 80 und 90% - je nach Region und Jahreszahl der Studie (wem also der Regenwald etwas Wert ist, sollte dringendst seinen Konsum von Fleisch und tierischen Produkten massiv reduzieren). 4) 0. Null. Fucking zero! 5) Nein, brauchst du nicht. Es gibt genügend pflanzliche Proteine (siehe folgende Nährwert-Tabelle). 6) Bis zu 60 europäische Zugreisen (auch wenn natürlich viele Faktoren wie Distanz, Auslastung des Transportmittels etc. davon abhängig sind; siehe Beitrag „Flugentzug“) 7) Für beide Fragen gilt die Antwort „15“ (Prozent respektive Zentimeter). 8) Nein, natürlich nicht! Der Bundesrat ist so harmlos wie eine Hausspinne. Wahrscheinlich hat er mehr Angst von dir, als du vor ihm.
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