Pyramiden sind schon eine seltsame Sache: Viele dieser faszinierenden Bauwerke wurden beinahe zeitgleich in verschiedenen Teilen der Welt errichtet – sei dies nun in Ägypten, Lateinamerika oder China. Allerdings begegnet man diesen architektonisch auffälligen Leistungen heute kaum mehr noch.
Das hat einerseits wohl damit zu tun, dass man heute den Totenkult durch deutlich weniger aufwendige Formen von Grabstätten ersetzt hat (also ohne dass man jahrelang solche Monumente errichten muss und dabei [ironischerweise] zahlreiche Arbeitersklaven den Tod finden). Andererseits ist diese zwar optisch durchaus ansprechende Form – man denke neben den üblichen Verdächtigen aus Gizeh beispielsweise auch an den gläsernen Bau des Louvre usw. – auch nicht gerade praktisch. Man benötigt für den Grundriss ziemlich viel Land und zuoberst hat man trotzdem nur wenig Platz. In Zeiten, in welchen man sich mit der Zersiedlung und den immer knapper werdenden Landflächen beschäftigt (oder beschäftigen sollte), müsste man wohl eher die umgekehrte Form der Pyramide als Leitkonzept der Architektur bezeichnen – auch wenn es natürlich bautechnische Einwände für eine solche Bauform gäbe. Gleichwohl ist das Symbol der Pyramide nicht ganz verschwunden. Neben den üblichen Verschwörungstheoretikern von Freimaurern und Illuminaten, welche sich häufig mit dem Symbol der Pyramide und dem wachenden Auge schmücken, eignet sich diese geometrische Form beispielsweise ganz gut, um die Verteilung des Vermögens zu beschreiben: Zuoberst hausen ein paar wenige Glückliche (im Sinne von „lucky“ und nicht unbedingt „happy“) respektive vor allem Reiche, die in ihrem Penthouse einen wunderbaren 360° Rundum-Blick haben, während weiter unten alle MieterInnen zusammengedrückt auf engstem Raum und wenig lichtdurchflutet „wohnen“ müssen. Es gibt allerdings noch einen weiteren Bereich, in welchem die Pyramide heute noch auftaucht, nämlich in jenem der Ernährung. Nicht minder verstaubt scheint jedoch auch die Verwendung der Lebensmittelpyramide zu sein: Zum Einen, weil viele Vorstellungen von einer gesunden Ernährung mittlerweile überholt sind (siehe weiter unten); zum Andern, weil auch die Ernährungspyramide letztendlich auf der Arbeit tausender Sklaven aufbaut. Im Gegensatz zu den schätzungsweise 10'000 Sklaven, welche für das berühmte Monument in Gizeh schuften und sterben mussten, sieht man die „Sklaven der Neuzeit“ kaum mehr – Massentierhaltung, Monokulturen und Minimallöhne sei Dank. Um dieser Versklavung entgegenzuwirken gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine davon ist der Veganismus. Kein Ernährungskonzept ist so effizient im Verhindern von tierischem (und menschlichem) Leid wie eine rein pflanzliche Ernährungsform. Allein in der Schweiz werden dafür jährlich um die 69 Millionen Lebewesen – um nicht zu sagen „Sklaven“ - getötet. Dazu gesellen sich natürlich noch massive ökologische und soziale Schäden wie die Verwendung von unheimlich vielen Ressourcen, Landenteignungen und Hunger in Drittweltländern, gefährliche Antibiotika-Resistenzen, massive Boden-Belastungen, Zerstörung von natürlichen Lebensräumen, die Erhitzung des Klimas und vieles mehr. Aus diesem Grund werde ich nicht müde, dieses aus ethischen und ökologischen Standpunkten am besten abschneidende Ernährungskonzept so gut es geht zu fördern. So weit, so bekannt. Nun hört für mich der Food-Aktivismus beim Veganismus jedoch nicht wirklich auf, da es innerhalb einer pflanzlichen Ernährungsweise natürlich auch noch mächtig Verbesserungspotential gibt. Wenn man beispielsweise auf Fleisch verzichtet und stattdessen täglich exotische Früchte wie Avocados, Maracujas und Ananas konsumiert oder abends nur noch Quinoa aus Südamerika, Reis aus Asien oder Süsskartoffeln aus den USA verspeist, dann steht man zwar punkto CO2-Bilanz grundsätzlich immer noch deutlich besser da, als wenn man ein Steak mit Rahmsauce vertilgt, aber ein Teil des ökologischen Mehrwerts wird sogleich wieder zunichte gemacht. Und die Frage, ob eine Bio-Butter aus der Schweiz zumindest aus rein ökologischer Sicht nicht vielleicht ähnlich gut (oder besser gesagt: schlecht) abschneidet wie eine aus nicht-zertifiziertem Palmöl bestehende Margarine, sei ebenfalls erlaubt. Deshalb möchte ich anlässlich dieses Blogbeitrags gerne weitere zentrale Pfeiler einer nachhaltigen (i.e. ökologischen, ethischen und sozialen) Ernährungsweise ansprechen – nämlich in erster Linie der saisonale sowie regionale Aspekt einer Ernährung. Diese beiden Konzepte bringen zwar den Nachteil mit sich, dass die ganze Thematik der Ernährung komplexer und verzwickter wird, da man nun noch weitere Komponenten beim Lebensmittel-Einkauf beachten sollte; allerdings sind sie auch sehr hilfreich, einen möglichst genauen Hinweis auf die tatsächliche Ökobilanz von Produkten zu geben. (Im Beispiel von oben bedeutet dies, dass sowohl die Bio-Butter wie auch die Palmöl-Margarine umwelttechnisch suboptimal sind, weil das eine nicht pflanzlich und das andere nicht regional ist.) Der Einfluss von Regionalität und Saisonalität auf die Umweltbelastung eines Produkts zeigt sich beispielsweise auch in der Art des Anbaus oder Imports von Bohnen: Der Verzehr von regionalen – und vor allem saisonalen! – Bohnen ist diesbzeüglich nämlich deutlich nachhaltiger als jener von importierten Bohnen aus dem Ausland (siehe WWF-Grafik). Vor allem der Transport via Flugzeug verändert die Klimabilanz massiv: Die Maracuja – besser bekannt als Passionsfrucht – verursacht ungefähr 1350g CO2 (pro 100g Frucht) und gehört damit zu den notorischen Klimakillern unter den Früchten. Im Vergleich dazu schneidet der in der Schweiz angebaute Apfel mit ca. 25g CO2 richtig harmlos ab – und ist damit ungefähr 55 mal ökologischer als die exotische Frucht. Glücklicherweise braucht man sich im Sommer weniger häufig Fragen zu Regionalität oder Saisonalität zu stellen, da unsere Schweizer Landwirtschaft in den Sommermonaten eine riesige Auswahl an saisonalen und lokalen Lebensmittel zu produzieren vermag. Besonders aber wenn der Herbst naht, wird die Auswahl kleiner und die Gefahr grösser, dass man nicht mehr ganz im Sinne der Nachhaltigkeit einkauft. Andererseits gibt es Gemüsesorten, die bis in den Winter hinein saisonal und regional angebaut werden können wie zum Beispiel Karotten, Randen, Kartoffeln, Kohlarten, Zwiebeln, Schwarzwurzeln, Kürbisse usw. (eine auch optisch ansprechende Hilfe kann der folgende Saisonkalender sein, welchen man online bestellen kann). Dazu gibt es auch einige tiefgefrorene oder in Dosen gelagerte Optionen, die auch ziemlich gut abschneiden (wie die Infografik zu den Bohnen beim WWF-Link oben beweist). Natürlich gibt es noch weitere Faktoren, welche ein Produkt „ökologisch problematisch“ machen können – zum Beispiel der für die Lebensmittel-Produktion effektiv benötigte Wasserverbrauch (sog. virtuelles Wasser). Auch hier schneiden tierische Produkte sehr schlecht ab, da sie sehr viel Wasser verbrauchen (v.a. für die grossen Mengen an Viehfutter). Aber auch andere Produkte wie beispielsweise Schokolade und Kaffee (siehe Grafik "Water Footprint") haben einen extrem hohen virtuellen Wasserverbrauch. Es schadet deshalb nicht, hin und wieder auf den Espresso oder die Schokolade nach dem Essen zu verzichten. (Dann doch lieber zum Apfel greifen – ganz im Sinne von „an apple a day, keeps the climate change away“...) Neben den oben erwähnten Pfeilern einer nachhaltigen Ernährung sprechen auch einige Gründe für eine möglichst biologische Landwirtschaft – ganz abgesehen davon, dass sich viele Konsumenten (zurecht) über die deutlich höheren Preise aufgrund der vergleichsweise hohen Margen bei Bio-Produkten ärgern und letztendlich leider doch einfach das günstigste Produkt in den Warenkorb legen. Ein Argument für den Kauf von Bio-Lebensmitteln sind zum Beispiel die deutlich geringere Menge an verwendeten Pestiziden, welche im Übrigen nicht nur Boden, Gewässern, Bienen, Schmetterlingen und Co. schaden, sondern auch dem Menschen selbst. Aber auch in Sachen Tierwohl gelten in der Schweiz für biologische Produkte generell deutlich strengere Richtlinien was Auslauf, Haltung etc. anbelangt (was nicht heissen soll, dass eine biologische Nutztierhaltung ethisch vertretbar ist; es macht das Ganze lediglich ein wenig besser - zumindest in gewissen Fällen). Zudem darf bei einer konventionellen Nutztierhaltung fast beliebig viel Kraftfutter importiert werden, während dieser Anteil bei Bio-Viehfutter maximal 25% betragen darf und der Rest aus „einheimischen Quellen“ stammen muss. Schliesslich gäbe es noch weitere Pfeiler (oder „Pfeilerchen“), welche man im Kontext einer nachhaltigen Ernährung beachten könnte: Foodwaste ist beispielsweise ein gigantisches Problem, welches jedoch an dieser Stelle nur am Rand erwähnt werden soll (und dafür hoffentlich zu einem späteren Zeitpunkt noch etwas vertiefter auftaucht). Auch kann es Sinn machen, Produkte von kleineren Unternehmen oder Produzenten jenen von milliardenschweren Lebensmittelgiganten vorzuziehen, welche häufig nur noch auf Profitmaximierung aus sind und durch ein Lebensmittel-Monopol eine grosse Macht ausüben können. Der Verzicht auf Plastik und anderes Verpackungsmaterial (Stichwort „Zero Waste“) trägt ebenfalls zu einer positiveren Klimabilanz bei, da wir durch Verpackungen unnötig viele Ressourcen (Erdöl, Sand, Aluminium etc.) und Energie verschwenden (mehr zum Thema Recycling im Blogpost "Recycling Ärger"). In einer Zeit, in der immer mehr Menschen das Licht der Welt erblicken, Land und Wasser knapper werden, Regenwälder zunehmend verschwinden und ganze Landschaftsabschnitte durch Pestizide vergiftet werden, scheint eine Ernährungspyramide ihren Zweck nicht mehr zu erfüllen, da sie zwar die Gesundheit des einzelnen Individuums garantieren möchte (was angesichts veralteter und halbwahren Ansichten wie „Milch ist gut für die Knochen“ zwar etwas fragwürdig erscheint), jedoch aber die Gesundheit des gesamten Ökosystems ausser acht lässt. Es ist deshalb an der Zeit, die Pyramide niederzureissen und neue Grundsteine zu legen für eine zeitgemässere Architektur. Die Pfeiler dafür habe ich bereits zu errichten versucht. Welche (kulinarischen) Kreationen hingegen auf dieses Fundament gelegt werden, ist jedem selber überlassen. Genug Formen und Farben gibt es ja auch im Reich der pflanzlichen, saisonalen, regionalen und biologischen Ernährung. PS: Nochmals zur Betonung: Eine Bohne ist nicht gleich eine Bohne, so wie eine Avocado nicht gleich eine Avocado oder eine Süsskartoffel eine Süsskartoffel ist. So ist beispielsweise eine aus Spanien biologisch angebaute Avocado einer aus Peru importierten, konventioneller Frucht vorzuziehen. Und wer eine Bio-Süsskartoffel aus der Schweiz (aus dem Berner Seeland!) ergattern kann, muss sich auch keine Sorgen machen bezüglich ökologischem Fussabdruck. Generell gibt es viele tolle Alternativen: Schweizer Bio-Birnel statt Ahornsirup oder Agavendicksaft; Bio-Linsen aus Österreich statt konventionellen aus Kanada; Margarine aus deutschem Bio-Raps statt (Bio-)Butter oder Margarine aus Palmöl etc. pp. PPS: Und damit das nochmals explizit erwähnt wurde: Die mit Abstand wichtigste Säule einer nachhaltigen Ernährung ist und bleibt der Veganismus. Wer sich also (noch) nicht so viele Gedanken dazu gemacht hat (oder machen möchte), fährt am Effizientesten, wenn er/sie auf eine pflanzliche Ernährung umstellt. PPPS: Wer übrigens eine tolle Alternative zur Ernährungspyramide sucht, findet sie in diesem niedlichen „Ernährungskreis“ von Simple Happy Kitchen. PPPPS: Beim Schreiben dieses Textes hat sich anfänglich eine Art Freud'scher Verschreiber hinein geschlichen: „saoisonal“ ;-)
2 Comments
Bin gerade auf folgenden Bericht (Juni 2017) der Energieforschung Zürich gestossen, wo auf S. 48 diverse unterschiedliche Verhaltensweisen hinsichtlich der Ernährung aufgeführt und isoliert punkto ökologische Effizienz betrachtet werden:
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SaoiAebiLebenskünstler, Philosoph, Hobbykoch, Balkongärtner, Freelanceaktivist, Lehrer, Katzen- und Tierfreund, Spirituosenliebhaber, Melancholiker, Musiker, Gesellschaftskritiker, Mensch, Lebewesen, Materie. Oder so. Archives
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