Saoi Aebi war für Veganaut in London unterwegs und hat sich die veganen Verpflegungsmöglichkeiten mal etwas genauer angeschaut.
Viel Spass!
0 Comments
Es lebte vor langer Zeit eine Prinzessin in einem Schloss, ganz zuoberst in einem majestätischen Turm, aus welchem sie über das ganze Königinnenreich blicken konnte. Regelmässig schaute sie von ihrem kleinen, aber prächtig goldenen Balkon in die weite Welt hinaus und versuchte das Ende des Horizonts auszumachen. Doch egal wie neblig, sonnig oder regnerisch das Wetter auch war: Stets übermannte sie eine tiefe Sehnsucht; ein Fernweh nach neuen Orten und unbekannten Wesen, einem Leben voller Abenteuer. Leider war ihre Mutter, die Königin, eine sehr beschäftigte Frau, die ein Königinnenreich zu führen hatte und deshalb ihr Versprechen, die Tochter einmal auf eine lange Reise durch fremde Gegenden zu begleiten, noch nicht einlösen konnte. Ausserdem war da noch die Kammerzofe, die der Prinzessin immer wieder mit sorgevoller Mine sagte: „Ach, Liebchen, die Welt da draussen ist gefährlich und verrückt. Nur in unserem schönen Lande hast du eine rosige Zukunft vor dir. Suche dir lieber endlich einen netten und wohlhabenden Prinzen statt dich weiterhin deinen Tagträumen hinzugeben!“ Die Prinzessin hielt jedoch nicht viel von den Plänen der Zofe und der restlichen Gefolgschaft der Königin, welche das gleiche Schicksal für sie im Sinne hatte. So geschah es, dass die Prinzessin eines Nachts die Neugier und die Unternehmungslust so sehr packte, dass sie aus dem Schloss schlich, sich auf das Pferd der Königin setzte und davon ritt. Als sie schliesslich bei den hohen Mauern entlang des Königinnenreichs ankam, beschlich sie dennoch ein mulmiges Gefühl. Im Königinnenreich hiess es ja, dass die Welt ausserhalb der Stadtmauer ein dunkler Ort voller böser Menschen sei. Die kluge Prinzessin wusste jedoch auch, dass die meisten Dorfbewohner und Dorfbewohnerinnen das Königinnenreich schlicht noch nie verlassen hatten und bloss nachplapperten, was ein paar Herrschende im Gremium der Königin über die Welt sagten. „Es kann doch nicht sein, dass nur in unserem Lande die Leute gut sind und im Ausland alle Menschen schlecht!“, sinnierte die Prinzessin und dachte kurz an einige Wahlplakate einer gewissen Volkspartei, die sich im grundsätzlich so prosperierenden und netten Königinnenreich leider gebildet hatte und gegen welche die Königin stets ankämpfen musste. Die Prinzessin schluckte leer, fasste all ihren Mut zusammen und schlich leise durch die grossen Pforten, wo die Grenzwächter tief am Schlafen waren. „Offenbar kann die Welt da draussen doch nicht so böse sein, wenn die Soldaten einfach so unverantwortungslos ein Nickerchen machen können, anstatt das Reich zu beschützen“, dachte sich die Prinzessin schmunzelnd. Eine Zeit lang ritt die Prinzessin weiter und weiter, über feuchte Wiesen, kühle Steppen und dunkle Wälder. Anscheinend kannte das Pferd die Umgebung ein wenig, so elegant und erfahren wie es die Prinzessin durch die Landschaften führte. Ob ihre Mutter wohl auch schon nachts durch diese Gegend geritten ist? Vielleicht früher einmal, als sie noch jung war und nicht als alleinstehende Königin ein ganzes Reich zu führen hatte. Der Gedanke machte sie etwas traurig... Irgendwann wurde die Prinzessin so müde, dass sie an einem kleinen See Halt machte. „Das scheint ein guter Ort zu sein, um eine Ruhepause einzulegen“, dachte die Prinzessin und kuschelte sich in ihre edle Decke, welche sie aus ihrer Kammer mitgehen liess. Doch bereits nach einiger Zeit wachte sie wieder auf – zu viele Mücken traktierten ihr unschuldiges Gesicht. Sie richtete sich auf, fuhr sich mit einem goldenen Kamm durch die Haare und versuchte sich ein Bild von der Szenerie zu machen. Da erblickte sie plötzlich in der Ferne ein Wesen, welches sie noch nie gesehen hatte. Es sah ähnlich aus wie ein Pferd, aber etwas kleiner und schlanker. Und es war komplett weiss mit einem leicht silbernen Schimmer, der sich fast so hell im Wasser spiegelte wie der Mond selbst. Und es hatte ein Horn. „Ein Einhorn?“, entfuhr es der Prinzessin, so laut, dass sie selber über ihre Stimme erschrak. Aus den Büchern und Sagen kannte sie Einhörner natürlich, aber in echt hatte sie noch nie welche gesehen, ja glaubte sogar, dass diese gar nicht existieren würden. In ihrem Königreich gab es neben Insekten und Vögel nur wenige Tierarten; viele wurden nämlich leider durch die Jagd und die intensive Landwirtschaft vertrieben oder schlimmer. Im Königinnenreich kannte man vor allem Nutztiere wie Kühe, die sie als Milch- und Käselieferanten verwendeten; Schweine, die zu Schinken und Speck verarbeitet wurden; oder Hühner, die Eier gaben und als Brathennen endeten – oder eher verendeten. „Ein Einhorn?“, fragte sich die Prinzessin nochmals, weil sie nicht glauben konnte, was sie da in der Ferne sah. Sie musste unbedingt näher an das Wesen herankommen, um es von Nähe aus zu betrachten. So schlich sie näher und näher, während sie versuchte laute Geräusche wie das Knacken von herumliegenden Ästen zu vermeiden. Doch je näher sie kam, desto mehr musste sie staunen ab der Erscheinung und Ausstrahlung dieser magischen Kreatur. Es musste sich dabei wirklich um ein Einhorn handeln. Nur noch ein paar wenige Schritte bis zum Einhorn... Dieses schien jedoch überraschend zutraulich, denn es musste die Prinzessin wohl schon länger bemerkt und einfach nicht gross beachtet haben. Die Prinzessin streckte die Hand aus und fuhr über das schimmernde, helle Fell des Einhorns. Es war unglaublich weich und wohltuend. Es wirkte fast ein wenig, als ob man durch die Berührung die reine Seele des Einhorns spüren konnte. Ein sanftes Kribbeln fuhr durch ihre Finger. Wenn die Prinzessin an Gott oder eine Göttin geglaubt hätte, dann hätte sie jetzt wohl das Gefühl gehabt, deren Präsenz zu fühlen. So wunderbar war dieser Moment, wenn man ein Lebewesen als lebens- und liebenswürdiges Mitgeschöpf wahrnimmt und es nicht nur aus der Ferne als Nutztier betrachtet. „Komm mit!“ sprach die Prinzessin und führte das Einhorn sanft zu ihrem Schlafplatz zurück. „Ich will dich morgen zum nächsten Dorf führen und schauen, was andere Menschen über dich denken, du wunderbares Geschöpf!“ Am nächsten Morgen wachte die Prinzessin kurz nach Sonnenaufgang mit einem warmen, positiven Gefühl auf – und einem roten Gesicht voller juckender Mückenstiche. Aber dafür hatte sie jetzt keine Zeit; sie musste sogleich weiter und ihre Entdeckung teilen. Im ersten Dorf, welches knapp zwei Stunden entfernt war, traf sie – zu ihrem Erstaunen – auf Menschen, die genauso schienen wie jene aus ihrem eigenen Königinnenreich. „Hmm“, sagte die Prinzessin zu sich selber sprechend, „So böse sehen diese Leute hier also nicht aus. Wer hätte gedacht, dass sich die Wahrheiten als Märchen herausstellen und die Märchen als Wahrheiten?“ Dabei schaute sie noch einmal das Einhorn neben ihr an, welches zufrieden Gras am Wegrand am Verzehren war. Im Dorf suchte sie nach einer Königin oder einem König und fand schliesslich den Dorfältesten, der offenbar das Sagen vor Ort hatte. Die Prinzessin fragte ihn, ob er jemals so ein wunderliches und entzückendes Wesen wie dieses Einhorn gesehen hatte. Der Dorfälteste schaute etwas verdutzt und betrachtete kurz abwechslungsweise die Prinzessin und das Einhorn schweigend. „Natürlich!“ erklärte er und fügte mit ruhiger Stimme an: „Aus diesen Tieren machen wir Einhornbraten und Einhornaufschnitt.“ „Wie bitte?!?“ entfuhr es der Prinzessin in vorwurfsvollem Ton. „Ihr tötet diese wunderschönen Lebewesen!?! Das ist ja grausam! Schämt euch!“ Ohne den Dorfältesten noch einmal zu Wort kommen zu lassen, zog sie wütend von dannen auf der Suche nach einem anderen Dorf, welches womöglich ein grösseres Herz für diese faszinierenden Wesen hatte. Als sie das Dorf hinter sich gelassen hatte, sah sie riesige Bauten, die anscheinend als Ställe für die Nutztierhaltung dienten. Darin konnte sie Hunderte von zusammengepferchten Einhörner sehen, deren Farbe nicht mehr an das reine Weiss mit silbernem Glänzen ihres Einhorns erinnerte. Stattdessen hatte ihr Fell einen gelblich-gräulichen Ton und das Leuchten und die Lebensenergie war fast komplett verblasst. Traurig zog sie weiter und verfluchte dieses Dorf, welches so schlecht mit so wundervollen Geschöpfen umging. Eine Weile später erreichte sie ein anderes Dorf, wo sie zunächst mal hungrig ein Gasthaus ansteuerte. Das Einhorn und das Pferd band sie draussen an eine Laterne und ging dann hastig hinein, wo sie Bratkartoffeln mit Pouletflügeli bestellte. Der Gastwirt entgegnete jedoch: „Tut uns leid, wir essen keine Hühner. Die sind uns heilig und werden von uns geschützt und geehrt. Sie sind sowas wie unsere Haustiere.“ Die Prinzessin schluckte leer und wusste nicht recht, was sie dazu sagen sollte. Doch der Gastwirt kam ihr zuvor: „Aber wir hätten sonst Rehschnitzel mit Spätzli oder Schweinshaxen. Oder wie wäre es mit einem Einhornbraten?“ Der Prinzessin wurde etwas unwohl zumute. Sie bestellte deshalb nur die Bratkartoffeln. Während sie so auf das Essen wartete, beschlich sie ein seltsames Gefühl der Scham. Wie konnte es sein, dass man je nach Ort eine gewisse Spezies wertschätzte, während man mit dem Leben einer anderen Tierart so achtlos umging? Sie selber hatte doch auch eine Katze zuhause, die sie pflegte und hegte, die ihr sehr am Herzen lag. Würden irgendwo Menschen auch Katzen auf solch' grausame Weise züchten, halten und schliesslich schlachten? Der Gedanke liess sie erschaudern und ihr war nur bedingt nach Essen zumute – auch wenn sie wusste, dass diese Kartoffeln garantiert nie leiden mussten. (Nein, wirklich... Pflanzen haben keine Gefühle... Immer noch nicht!) Eine Angestellte des Gasthauses bemerkte das sorgenvolle Gesicht des Gastes und ging zur Prinzessin rüber: „Ich sehe Traurigkeit in Ihren Augen. Ich nehme an, das hat etwas mit dem Gespräch zu tun, welches Sie mit dem Gastwirt geführt hatten, oder?“ Die Prinzessin nickte stumm. „Haben Sie schon mal gehört vom König Herzensgut und seinem Gemahlen Ed?“ Die Prinzessin schüttelte interessiert den Kopf. „Nun, in diesem Königreich werden alle Lebewesen geehrt und geschätzt. Und immer mehr Menschen wandern dorthin aus. Vielleicht könnte Sie dies ja auch interessieren.“, erläuterte die junge Angestellte mit einem freundlichen Lächeln. Doch der Gastwirt stiess sogleich dazu und fuhr die Magd an: „Hör doch auf, unsere Gäste zu belästigen. Die Leute dort sind doch alle verrückt... Ich meine... als ob das Leben eines dreckigen Schweins gleich viel Wert hätte wie jenes einer heilige Henne! Ha! Dass ich nicht lache...“ Mit diesen Worten verabschiedete sich der Gastwirt wieder hinter dem Tresen, während sich die Magd mit einem entschuldigenden, leicht deprimierten Lächeln ebenfalls wieder an die Arbeit machte. Die Prinzessin sass eine Weile still da und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Sie blickte durch die Fenster nach draussen und sah das Pferd und das Einhorn draussen stehen und wie sie einander empathisch oder zumindest neutral wohlgesinnt anschauten, als ob es für sie keine Rolle spielte, zu welcher Spezies sie gehörten. „Eigentlich würde ich ja gerne dieses Königreich Herzensgut besuchen gehen, aber vielleicht sollte ich besser mal umkehren; meine Mutter, die Königin, macht sich sicher schon Sorgen.“ sinnierte die Prinzessin. „Ausserdem läuft mir dieses tierfreundliche Königreich ja nicht weg. Und ich habe nun schon einige Dinge gelernt, die ich verarbeiten muss und in unserem Königinnenreich einführen könnte...“ Die Prinzessin bedankte sich bei der Angestellten, gab ihr ein grosszügiges Trinkgeld und machte sich mitsamt Pferd und Einhorn auf den Rückweg. Dabei lief sie vielen gackernden, zufriedenen Hühnern über den Weg, welche in den Gärten der Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner nach Körner suchten. Von einer Katze oder einem Hund fehlte jedoch jede Spur. Kurz bevor sie das Dorf verliess, kam sie an einer Schweinemast vorbei, wo sie aus Mitgefühl einem Bauern ein Schwein abkaufte, welche sie retten und nach Hause nehmen wollte. Der Bauer war zwar etwas verwirrt, dass ihm da eine junge, blau-blütige Frau in edlen Gewändern ein Schwein abkaufen wollte, aber er sagte sich: „Geld ist Geld!“ Im letzten Dorf machte die Prinzessin ebenfalls noch einen Halt, denn die glücklichen Hühner aus dem Dorf davor gingen ihr ebenfalls nicht mehr aus dem Kopf, weshalb sie noch bei einer Hühnermast vorbeischaute. Die Bedingungen in der Halle, wo sich wohl deutlich über 1000 Hühner herumtummelten, waren fürchterlich. Es war laut und hektisch. Einige Hühner lagen leblos am Boden, andere hackten gegenseitig auf sich ein. Die Luft war stickig und unangenehm, überall lagen Exkremente direkt neben den Futtertrögen... Nein, das konnte sie nicht mehr unterstützen! Es müsste sich was ändern; nicht nur in ihrem eigenen Königinnenreich, sondern auch überall sonst! Zum ersten Mal verspürte die Prinzessin so etwas wie den Wunsch, endlich Königin zu werden – auch wenn sie ihre Pläne von vielen Abenteuern in der weiten Welt noch nicht endgültig begraben wollte. Aber sie wusste auch, dass womöglich andere Angelegenheiten wie das tausend-, ja, millionenfache Leid fühlender Lebewesen eine höhere Priorität hatten. Kurzerhand packte die Prinzessin noch ein kleines Küken, welches gerade orientierungslos an ihr vorbei torkelte, und wickelte es behutsam in die Decke in ihrem Rucksack. Als die Prinzessin mit ihrer tierischen Gefolgschaft nach einigen Stunden endlich die Stadtmauern des Königinnenreichs erreichte, schauten die Grenzwächter nicht schlecht.
„Prinzessin?!?“ stammelte der Soldat ungläubig. „W-w-w-wo kommen Sie denn her? Und was haben Sie da ähh mitgebracht?“ „Das sind meine neuen Freunde.“ entgegnete die Prinzessin keck und lief selbstbewusst durch die Pforten zurück in Ihre Heimat, während die Grenzwächter kaum aus dem Staunen kamen. Abgesehen von jenen verblüfften Bewohnerinnen und Bewohner, welche die Prinzessin mit dem Einhorn und den anderen Tieren gerade vorbeilaufen sahen, hatte man im Königinnenreich von der Abwesenheit der Prinzessin glücklicherweise noch keine Kenntnis genommen, weil es Sonntag war und die Kammerzofe dachte, dass die Prinzessin wohl einfach lange ausschlafen wollte. Beim Schloss angelangt, übergab die Prinzessin ihre neuen tierischen Freunde einem vertrauenswürdigen Bediensteten, welcher sich sogleich mit weiteren Angestellten daran machte, den exakt-getrimmten Rasen des königlichen Polo-Felds umzupflügen und daraus eine Art Hof für die Tiere zu machen. „Ob sich meine Mutter wohl darüber freuen wird, dass ich die Spielwiese der Herrschenden kurzerhand zu einem Lebenshof umgewandelt habe?“, fragte sich die Prinzessin schmunzelnd, als sie durch die leeren Korridore des Schlosses schlich. Als sie endlich im Turm oben angekommen war und die Türe zu ihrer königlichen Kammer leise geöffnet hatte, liess sich die Prinzessin komplett übermüdet auf das Bett fallen. Ihre letzten Gedanken, bevor sie zufrieden in einen tiefen, aber glücklicherweise nicht Dornröschen-tiefen Schlaf fallen sollte, galten dem Einhorn und den anderen Tieren, welchen sie ab sofort mehr Zeit widmen wollte. THE END |
SaoiAebiLebenskünstler, Philosoph, Hobbykoch, Balkongärtner, Freelanceaktivist, Lehrer, Katzen- und Tierfreund, Spirituosenliebhaber, Melancholiker, Musiker, Gesellschaftskritiker, Mensch, Lebewesen, Materie. Oder so. Archives
Februar 2023 Oktober 2022 Mai 2022 März 2022 Dezember 2021 Oktober 2021 August 2021 Juni 2021 Mai 2021 März 2021 Februar 2021 Januar 2021 November 2020 Oktober 2020 September 2020 August 2020 Juli 2020 Juni 2020 Mai 2020 April 2020 März 2020 Februar 2020 Januar 2020 Dezember 2019 November 2019 Oktober 2019 |