Neben mehrheitlich positiven Rückmeldungen zu meinem letzten Blogbeitrag über Fair Fashion, gab es auch wenige, meist halblaute Stimmen, die offensichtlich ziemlich unbeeindruckt waren.
Aha, alles fair produziert? Bio-Baumwolle? Rezykliertes Polyester? Lederimitate aus Kork? So what?! Interessanterweise kommen solche Kommentare genau von denjenigen Leuten, die wahrscheinlich noch keinen einzigen Gedanken daran „verschwendet“ haben, über die zahlreichen Probleme der Textilindustrie zu sinnieren. Häufig handelt es sich dabei auch um Personen, die allgemein einen Hang zur Gleichgültigkeit aufweisen. Seit dreieinhalb Jahren statt mit dem Flugzeug nur noch mit dem Zug verreist? Who cares?! Bewusstes Einkaufen von möglichst lokalen und saisonalen Lebensmitteln? Boring! Konsequentes Recycling von Alu, Glas, Papier und Co. und zwar auch unterwegs (auf Reisen, beim Picknick etc.)? Get out of my way, already! Aber zurück zur Textilindustrie: Unbeeindruckt dürften sich eigentlich nur diejenigen zeigen, welche bereits ihren kompletten Kleiderschrank ausschliesslich mit Ökomode gefüllt haben. Zum einen wären solche Personen in ihrer Wortwahl und ihrem Verhalten wohl aber deutlich empathischer (man bedenke die Beweggründe für eine Umstellung auf Fair Fashion) und würden einen motivierenden Post für weniger durch die Textilindustrie verursachtes Leid garantiert begrüssen; und zum andern kenne ich schlicht (noch) niemanden, der ein solch beeindruckendes Textil-Inventar lauter „weisser Westen“ hat. Die gleiche Mischung aus Trotzreaktion und Langeweile findet sich natürlich auch beim Thema pflanzenbasierter Ernährung. Während tendenziell offene, neugierige Menschen meist interessiert daran sind, mit welchen Gewürzen und Kräutern man beispielsweise den Geschmack von Ei reproduzieren kann (die Antwort für diesen aufgeschlossenen Typus Homo Sapiens: Mit Kala Namak, einem schwarzen Steinsalz aus Indien, welches einen für Eier charakteristischen schwefligen Geruch aufweist) oder mit welchen Lebensmitteln man Eischnee ersetzen kann (u.a. durch pflanzliche Schlagcreme aus Soja, Reis etc. oder mithilfe von Aquafaba); so gibt es auch hier regelrechte Kulinarik-Banausen, welche in ihrem starren, bürgerlichen Korsett bleiben wollen (um beim Textil-Jargon zu bleiben). Dies ist natürlich insofern bedauerlich, da man sich so vielen innovativen Entdeckungen und eben auch einem technischen, ökologischen, ethischen oder sozialen Fortschritt verwehrt. Dieser geschieht aber eben häufig gerade aufgrund von externem Input. Natürlich kann jede(r) selber entscheiden, ob er/sie diesen Input wirklich verinnerlichen oder ihn sogleich in den geistigen Spam-Ordner abschieben will. Zumindest könnte man aber die Bereitschaft derjenigen unterstützen oder mindestens respektieren, welche sich die Mühe machen, fragwürdige Normen oder problematische Gesellschaftsstrukturen zu hinterfragen und an einer besseren Zukunftsvision zu arbeiten. Aber wie sagte Gandhi scheinbar* so schön: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“** *“Scheinbar“ deshalb, weil der Spruch gemäss verlässlichen Quellen nicht vom bekannten indischen Widerstandskämpfer stammt, sondern von Nicholas Klein, einem US-Gewerkschafter, der diese Worte vor fast genau 100 Jahren anlässlich einer Gewerkschaftsrede zum Thema – wait for it... - Probleme in der Textilindustrie von sich gab. Das nennt sich dann wohl „The Circle of Fashion“. **Ich würde gerne dieses Zitat noch mit einem persönlichen Nachtrag ergänzen (ganz im Sinne des kontra-faktischen Zeitalters): „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich, dann gewinnst du und dann sagen sie, du hast gar nicht gewonnen und auch gar nichts mit dem vermeintlichen Sieg zu tun gehabt. Und dann gehen sie unbeeindruckt weiter.“ (SaoiAebi, 2017)
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SaoiAebiLebenskünstler, Philosoph, Hobbykoch, Balkongärtner, Freelanceaktivist, Lehrer, Katzen- und Tierfreund, Spirituosenliebhaber, Melancholiker, Musiker, Gesellschaftskritiker, Mensch, Lebewesen, Materie. Oder so. Archives
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