Mit dem Fahrrad ist man nicht nur flexibel unterwegs und tut was Gutes für die Umwelt und die Gesundheit; Fahrradfahren ist auch höchst interessant und erlebnisreich. Seit ich in Basel wohne und ich mir vorgenommen habe, wenn möglich jede Strecke innerhalb der Stadt mit dem Fahrrad zu bewältigen – häufig selbst für kleinere Brocki- oder grössere Einkaufstouren –, habe ich schon regelmässig lachen oder fluchen müssen (manchmal beides gleichzeitig).
Ich erinnere mich beispielsweise an einen sommerlichen Morgen, an welchem ich wie immer zügig in Richtung Bahnhof unterwegs war und vor mir ein Typ mit kurzen, karierten Hosen und abgetragenen Flip-Flops etwas gar langsam und schwankend fuhr (er war, angesichts der Uhrzeit, wohl eher müde als alkoholisiert). Ich überholte ihn also, nachdem ich mich kurz vergewissert hatte, dass mich kein Auto von hinten hätte überrollen können (was zahlreiche Velofahrer meistens nicht machen, obwohl solche Überholmanöver ziemlich gemeingefährlich sind). An der nächsten Ampel musste ich aber bereits wieder warten, was im Stadtverkehr leider häufig vorkommt. Und während ich gebannt auf das Rot der Ampel starrte, fuhr der Typ in seinem gemütlichen Schritttempo wieder direkt vor mich hin und quetschte sich halb auf den Fussgänger, da ich schon fast ganz vorne an der Linie stand. Ich ärgerte mich ein bisschen, da er es offenbar nicht eilig hatte (was ja auch vollkommen legitim wäre), aber trotzdem irgendwie nicht hinter mir fahren wollte. Deshalb überholte ich den Typen etwas später ein weiteres Mal auf einer längeren Strecke. Doch jener wollte sich nicht mehr überholen lassen, denn als ich schon auf seiner Höhe war, fuhr er plötzlich etwas schneller, so dass ich noch einen Zacken mehr zulegen musste, um wieder vor ihm einspuren zu können. Bei der letzten Ampel vor dem Bahnhof kam er dann wild gestikulierend und fürchterlich fluchend von hinten angeschossen und rief mir zu, dass ich ein verdammter Vollidiot sei. Dieses Intermezzo auf zwei Rädern sollte übrigens nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich in den kommenden Monaten beschimpft werden würde, obwohl ich mich grundsätzlich sehr an die Verkehrsregeln halte (beispielsweise praktisch nie über eine rote Ampel fahre; zumindest solange wir nicht von Dunkelorange sprechen). Einmal wollte ich zum Beispiel über eine ziemlich unbefahrene Kreuzung in der Nähe des Bahnhofs fahren, als ein Auto von weit hinten angerast kam. Dieses beschleunigte allerdings sogar statt abzubremsen, obschon ich garantiert vom Fahrer bereits längst gesichtet wurde. Während er mich dann sehr knapp überholte, ertönte ein endlos langes (und aus meiner [subjektiven?] Sicht natürlich völlig unberechtigtes) Hupkonzert – und als Antwort darauf mein Zeigefinger, der wie ein 360° Panorama-Bild in beinahe eleganter Anmut dem Auto folgte. Seit jenen und weiteren Anekdoten versuche ich noch häufiger die verschiedenen Protagonisten in diesem unterhaltsamen Verkehrstheater zu beobachten; denn auch als Aussenstehender sind diese Szenen von psychologischer Prägnanz. Auffällig ist, dass besonders Männer sich in solche Testosteron-geladene Männlichkeitsbeweise hinein steigern; als handelte es sich dabei um eine Art Gladiatorenkampf des 21. Jahrhunderts – bloss auf zwei Rädern und ohne Waffen. Dieses Verhalten ist aber nicht nur auf eine ziemlich gewaltfreie, westliche Gesellschaft zurückzuführen, wo die angestaute Wut anderweitig entweichen muss (es lebe das Wutbürger-Dasein), sondern auch einfach auf die Tatsache, dass die Strassen für Verkehrsteilnehmer auf dem Fahrrad ziemlich eng sind. Schuld an riskanten Überholmanöver ist nämlich primär ein fehlender zweiter Fahrradweg für „SchnellfahrerInnen“ und nicht zwingend die Fahrer selbst, wie das häufig vorgeworfen wird. Besonders ärgerlich ist die ganze Angelegenheit, wenn man bedenkt, wie viel mehr Platz ein Auto im Vergleich zu einem Fahrrad benötigt. Dazu kommt, dass die Mehrheit der Autos, welche meistens neben mir fahren, nur einen einzigen Passagier beinhalten. Natürlich kann man nicht erwarten, dass jemand von Klein-Basel bis nach Sissach mit dem Fahrrad fährt, aber dafür gäbe es ja den öffentlichen Verkehr, welcher in den Städten sehr gut ausgebaut ist. Und für kleinere Strecken ist ein Fahrrad nicht nur die ökologischere und gesündere Variante, sondern (in der Regel) auch die schnellste. Wenn ich nämlich beim Bahnhofsplatz starte und ein Auto oder Tram ebenfalls mit mir in Richtung Flughafen fährt, dann kann es je nach Laune durchaus passieren, dass ich mich in eine Art Wettkampf verstricke (wie gesagt: es handelt sich dabei wohl um ein Männerding). Und wenn ich zügig unterwegs bin und die Ampelsituation gut mitspielt, sieht man seinen Kontrahenten häufig bis zur letzten Ampel immer wieder (das Tram hingegen kann locker abgehängt werden). Wieso fahren also nur so wenig Leute mit dem Fahrrad zur Arbeit, zum Einkaufen oder ins Restaurant – in der Schweiz sind es durchschnittlich lediglich 8 Prozent (immerhin 19 Prozent in der Fahrrad-Hauptstadt Basel)? Wie bereits oben erwähnt, ist die Sicherheit ein zentraler Faktor. Niemand quetscht sich gerne an Autokolonnen vorbei und ist bei einem Unfall stets derjenige, den es am meisten erwischt (während die Personen hinter dem Steuern dafür rechtlich stets hinhalten müssen). Dazu gesellen sich fehlende Privilegien für die Velofahrer, die unabdingbar für die Förderung der Attraktivität dieses Transportmittels sind. Mehr Platz, mehr Spuren, mehr eigene Ampeln, bessere Beläge etc. Ausserdem könnte man sich überlegen, ob diese Art von körperlicher Betätigung nicht auch finanziell unterstützt werden könnte (zum Beispiel durch eine Prämienreduktion bei der Krankenkasse). Auf der Hand liegen natürlich auch ökologische Aspekte. Es ist unsinnig, ein so grosses Vehikel wie ein Auto für eine einzelne Person zu befördern, und der Ausstoss von Abgasen wird zudem durch das Stop-And-Go und die viele Staus noch zusätzlich in die Höhe getrieben, als er sowieso schon ist. Wenn wir also gewisse Klimaziele ernst nehmen möchten (und das sollten wir unbedingt; immerhin haben wir das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet, welches bis 2050 eine Reduktion der Treibhausgase um 80% vorsieht), muss der Bund das Projekt Fahrradfahren in urbanen Zentren noch mehr finanziell unterstützen. Ein weiteres Pro-Argument für den Umstieg auf das Velo ist ebenso die Tatsache, dass es massiv günstiger ist, ein Fahrrad anstelle eines Autos zu besitzen. Die Beschaffung eines einfachen Fahrrads kostet beispielsweise an einer Velobörse selten mehr als einige hundert Franken. Da sich die jährlichen Unterhaltskosten eines Fahrrads auch in Grenzen halten, fährt man damit logischerweise viel günstiger als mit dem Auto oder mit Bus/Tram/Bahn (es sei denn man besitzt bereits ein GA). Schliesslich macht Velofahren auch einfach Spass (und damit meine ich nicht zwingend die unterhaltsamen Anekdoten zu Beginn des Textes): Es gibt doch nichts Schöneres als an einem Sommerabend, wenn die Sonne schon ganz tief über dem Horizont hängt, über eine Brücke zu fahren, den angenehm, frischen Wind als Kontrast zu den warmen Sonnenstrahlen im Gesicht zu spüren; das Wahrnehmen der Unmittelbarkeit und Reaktionsfähigkeit der Räder, wenn man in zügigem Tempo eine lange Kurve kratzt; und entlang eines Flusses radelt und unterschiedlichste Viertel langsam an sich vorbeiziehen sieht. PS: Okay, fairerweise müsste man ergänzen, dass es (verkehrstechnisch) auch nur wenig Schlimmeres gibt (Unfälle etc. ausgenommen), als bei strömendem Februar-Regen bei Temperaturen knapp über Null Grad auf dem Fahrrad unterwegs zu sein. PPS: Falls ihr euch übrigens noch gefragt habt, was es mit dem Titel auf sich hat: Dieser Begriff wird tatsächlich rund ums Thema Förderung des Fahrradverkehr verwendet – als Verweis auf das vorbildliche Kopenhagen, wo fast die Hälfte der Bevölkerung mit dem Fahrrad unterwegs ist. Also wieder ein Bereich, in welchem uns die Skandinavier um mindestens eine Radlänge voraus sind.
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