Stell dir vor, du hättest einen Knopf vor dir.
Einen Knopf, um den Klimawandel und das Aussterben tausender Tierarten zu verhindern, um Regenwälder und andere florierende Ökosysteme wieder herzustellen, um alle Kriege auf der Erde zu beenden, alles Elend und Leiden sofort zu stoppen; einen Knopf, auf dem geschrieben steht: „Menschheit auslöschen“. Würdest du ihn drücken? Nun, wenn du keine einzige Sekunde zögern würdest, dann hast du dich offensichtlich vor einiger Zeit mal dafür entschieden, in deiner eigenen gemütlichen, verdrängenden Realität zu leben oder hast schlicht keine Ahnung von unserem Einfluss auf die Umwelt und andere Lebewesen auf unserem Planeten; keinen Plan von all dem Leid, welches sich Menschen untereinander antun, sei es in Kriegen, Kreuzzügen, Drittwelt-Ausbeutungen oder auch einfach innerhalb einer Gesellschaft. (Und dann lebst du offenbar in einem Wohlstandsland wie der Schweiz und bist von alledem kaum oder nur indirekt betroffen.) Wenn du hingegen tatsächlich in Betracht ziehst, einen solchen Knopf zu drücken, dann bist du – mein lieber Freund, meine liebe Freundin – womöglich die Personifizierung allen oben-genannten, menschlichen Übels. (Und ein(e) brandgefährliche(r) Psychopath(in) und Misanthrop(in).) Wir haben es also mit einem Dilemma zu tun. Denn offensichtlich ist der Homo Sapiens hinsichtlich der Auswirkungen auf sein eigenes Umwelt ein zerstörerischer, egozentrischer Tyrann, der sich ziemlich rücksichtslos und fortwährend auf unserem Planeten ausbreitet. Ich versuche den Begriff des Virus, welcher häufig bei Diskussionen rund um die globalen Auswirkungen des Menschen fällt, bewusst zu vermeiden, weil es schlichtweg absurd wäre, ihn ernsthaft als mikroskopisch kleines, stoffwechselloses, infektiöses Partikel zu bezeichnen (auch wenn sich nicht von der Hand weisen lässt, dass es der Mensch seit seiner Existenz nie wirklich zustande brachte, im Gleichgewicht mit seiner Umgebung zu leben und somit gewisse Merkmale der Virus-Allegorie durchaus zutreffen). Die Frage stellt sich also, ob wir es schaffen, uns irgendwie unter Kontrolle zu bringen, ohne dass man (oder wir selbst) uns mit Gewaltanwendung zerstören müsste. Vor dieser Frage stand ich übrigens schon vor einiger Zeit, als ich den hoffentlich immer noch lesenswerten Artikel „Die Notwendigkeit sich unbeliebt zu machen“ schrieb. In diesem neuen Beitrag möchte ich das Thema noch einmal aufgreifen und weitere Aspekte hinzufügen, welche im damaligen Beitrag allenfalls zu kurz kamen. Aber zunächst mal: Worum geht es eigentlich? Nun, es gibt effizientere und ineffizientere Massnahmen, um den Klimawandel und weitere ökologische Probleme zu bekämpfen. Beispielsweise ist es zwar vorbildlich, wenn man beim Joghurtbecher den Karton wegnimmt und den Deckel (je nach Marke) in die Alu-Sammlung wirft. Auch ist es grundsätzlich sinnvoll, wenn man beim Duschen während dem Einseifen das Wasser abstellt. Aber: All dies hat ziemlich wenig Wirkung im Vergleich zu anderen Verhaltensänderungen. Unter jenen Handlungen mit hoher ökologischer Effizienz befinden sich beispielsweise die Ernährung und die Mobilität; spezifischer ausgedrückt der Konsum von tierischen Produkten sowie das Reisen mit dem Flugzeug und das exzessive Verwenden eines Autos. Aus diesem Grund sind diese Themen ja auch ziemlich weit oben auf meiner Traktanden-Liste. Im Vergleich zum „ersten“ (also eigentlich „letzten“) Platz sind aber selbst diese Tätigkeiten ineffizient. Denn nichts treibt den ökologischen Fussabdruck so in die Höhe wie das Zeugen von Nachwuchs. Gemäss der in den „Environmental Research Letters“ kürzlich veröffentlichten Studie von Wissenschaftler*innen der Lund University betragen die durchschnittlich erzeugten CO2-Emissionen pro Kind pro Jahr ungefähr 58.6 Tonnen. Im Vergleich dazu schneidet der komplette Verzicht auf das Auto – immerhin ebenfalls ein gigantischer Klimasünder – mit seinen etwas über 2 Tonnen pro Jahr beinahe 25x ineffizienter ab. Trotzdem ist diese wissenschaftliche Tatsache kaum ein Thema bei der Diskussion um Nachhaltigkeit, Klimawandel und Umweltschutz. Offensichtlich ist spätestens hier die Grenze zur individuellen Meinungs- und Handlungsfreiheit erreicht (beim Thema Fleischkonsum wird zumindest rege darüber diskutiert, wie sehr diese Handlung tatsächlich bloss ein Teil der persönlichen Entscheidung sei) und das obschon die durchgeführte Studie oben ziemlich deutlich macht, dass Kinderkriegen durchaus ein relevantes, politisches Thema ist (oder sein sollte). Trotzdem werden jetzt viele Leser*innen einwenden mögen, dass ja die Geburtenrate in der Westeuropa tendenziell am Abnehmen sei und dass es daher so etwas wie Überbevölkerung gar nie geben kann. Ich möchte diese Punkte nur kurz besprechen, da ich sie eben schon mal im oben-erwähnten Blog-Beitrag angeschnitten habe. Gleichwohl möchte ich diesbezüglich noch einmal betonen, dass ich sowohl der qualitative Aspekt (also die Art, wie die Menschen auf dem Planeten agieren und der ökologische Fussabdruck deren Handlungen [in Staaten mit einer geringen Geburtenrate ist dieser Fussabdruck ja auch massiv höher als in geburtenreichen Ländern]) wie eben auch der quantitative Aspekt (die schiere Anzahl auf unserem Planeten lebende Menschen) relevant finde. Beides führt zu ökologischen – und dadurch später auch zu sozialen – Problemen. Ausserdem wird häufig verdrängt, dass wir heute schon fast den gesamten Planeten kontrollieren: Natürliche Lebensräume wie Regenwälder, welche von Menschenhand gänzlich unberührt sind, haben im letzten Jahrhundert massiv abgenommen; die Meere sind zu einem grossen Teil deutlich überfischt oder sogar gänzlich leergefischt; in gewissen Städten (wie bspw. der Millionenstadt Kapstadt) herrscht ein krasser Wassernotstand; und die Artenvielfalt ist heute so gering wie seit Hunderttausenden Jahren nicht mehr. Dies sind alles sehr deutliche Zeichen, dass wir eigentlich schon längstens den Planeten überbevölkert haben – zumindest wenn man keine speziesistische Haltung an den Tag legt und man Überbevölkerung bloss aus der Sicht des Menschen definiere (denn natürlich könnte man noch ein paar Leute mehr auf den Planeten setzen – einfach auf Kosten unserer nicht-menschlichen Umwelt). Noch ein kleiner Nachtrag zur Infografik der Lund University Studie: In der Auflistung steht zwar das Verwenden eines Autos an zweiter Stelle, jedoch ist das Fliegen und der Konsum tierischer Produkte im Schnitt gleichwohl für einen höheren ökologischen Fussabdruck verantwortlich. Beim Fliegen wurde nämlich nur ein interkontinentaler Flug bewertet, während gewisse Personen mehrmals jährlich ins Flugzeug steigen. Beim Konsum tierischer Produkte wurden offenbar hingegen gewisse ökologische Folgen nicht mit einberechnet, welche von Relevanz sind – so zum Beispiel der Ausstoss von Methan (ein über 20x klimawirksameres Gas als CO2), der enorm hohe Wasserverbrauch (virtuelles Wasser), die Zerstörung von Boden und Meere durch Pestizide und Gülle etc. pp. Aus diesem Grund müsste eigentlich primär eine vegane Ernährung angestrebt werden (gefolgt von einem möglichst flugzeuglosen Reiseverhalten). An erster Stelle bleibt jedoch das Zeugen von Nachwuchs – besonders in der westlichen Welt, wo der ökologische Fussabdruck extrem hoch ist.
5 Comments
Where do you go? Are you lost? Do you know where your home is? Can you reach it? Or is there an invisible barrier? A hidden force drawing you back? Is this why you're blue? Almost blue, my lost bug? |
SaoiAebiLebenskünstler, Philosoph, Hobbykoch, Balkongärtner, Freelanceaktivist, Lehrer, Katzen- und Tierfreund, Spirituosenliebhaber, Melancholiker, Musiker, Gesellschaftskritiker, Mensch, Lebewesen, Materie. Oder so. Archives
Februar 2023 Oktober 2022 Mai 2022 März 2022 Dezember 2021 Oktober 2021 August 2021 Juni 2021 Mai 2021 März 2021 Februar 2021 Januar 2021 November 2020 Oktober 2020 September 2020 August 2020 Juli 2020 Juni 2020 Mai 2020 April 2020 März 2020 Februar 2020 Januar 2020 Dezember 2019 November 2019 Oktober 2019 |