Manchmal ärgere ich mich über die Menschheit.
Also eigentlich ärgere ich mich ziemlich häufig über die Menschheit – und werde dies wohl auch in Zukunft tun (spätestens nächsten Sonntag). Denn immerhin nennen wir uns selbst die „Krone der Schöpfung“, belassen es jedoch bei dieser unverifizierten Aussage und bleiben häufig jegliche Beweise für diese These schuldig. Natürlich: Es gibt kaum eine Spezies, die so viele kognitive Fähigkeiten wie wir Menschen besitzen. Und trotzdem schaffen wir teilweise die einfachsten Dinge nicht. Zum Beispiel eine Petition zu unterschreiben (den Link findest du ganz unten). Mal ganz im Ernst: Wer hat was gegen Recycling? Und wir sprechen jetzt nicht vom Kunststoff-Recycling, das erwiesenermassen noch nicht ausgereift ist und (zumindest derzeit) weder aus ökonomischer noch aus ökologischer Sicht Sinn macht. Nein, ich spreche vom ganz gewöhnlichen Recycling, welches sich über Jahrzehnte in der Schweiz als eine Art kultureller Wert etabliert hat: Glas, Aluminium, PET-Flaschen, Batterien usw. Wir alle sind grundsätzlich sensibilisiert auf die Abfalltrennung. Es widerstrebt den meisten von uns, wenn wir Altglas oder eine PET-Flasche in den Hausmüll oder in einen öffentlichen Müllcontainer werfen müssen, weil man nirgends in der Umgebung einen entsprechenden Recycling-Behälter findet. Klar gibt es die üblichen Proleten, die sich einen Dreck um Recycling scheren, denen selbst die Entsorgung in einem gemischten Abfallcontainer noch zu viel verlangt ist. Aber abgesehen von diesen wenigen Ausnahmen, welche mit einem effektiv umgesetztem Littering-Konzept zur Kasse gebeten werden könnten, herrscht insgesamt Konsens, was das Recycling anbelangt: Es ist nachhaltig, nicht sonderlich teuer, mittlerweile vielerorts möglich und man tut etwas Gutes für die Umwelt, die unter dem massiven Konsum ächzt. Letzteres ist zwar vielen von uns bewusst, aber halt nur auf eine sehr oberflächliche und distanzierte Weise (ähnlich wie bei der Flüchtlingsthematik oder der Nutztierhaltung), so dass wir bei einer PET-Flasche, die wir in der Hand halten, nicht einen grossen Produktionsaufwand sehen oder das dafür verwendete Erdöl; und dass wir damit eventuell indirekt sogar ein Terrorregime im Nahen Osten oder wo auch immer unterstützen. Oder dass wir beim Trinken aus einer Glasflasche eigentlich unsere Lippen an kleinste, geschmolzene Sandteile drücken und dass – dank unserem gigantischen Verschleiss an Glasprodukten – der Erde langsam der Sand ausgeht; denn in der Wüste gäbe es zwar genug Sand, dieser eignet sich allerdings nicht zur Herstellung von Glas (im Gegensatz zum sogenannten Quarzsand, welchen man beispielsweise an Stränden oder im Meer findet). Aus diesem Grund kommt dem Recycling eine wichtige Bedeutung zu, da man dadurch Ressourcen und Produktionskosten massiv eindämmen kann. Recycling ist also nicht nur nachhaltig, sondern auch aus ökonomischer Sicht äusserst effizient. So kann beim Rezyklieren von Aluminium beispielsweise bis zu 95% der Energie eingespart werden, während bei der Glasproduktion immerhin knapp 85% Altglas wiederverwendet werden kann. Aber zurück zu unserer Unfähigkeit: Ich habe also diese Online-Petition lanciert, da es entlang des Rheinufers in Basel kaum Möglichkeiten für Recycling gibt, obwohl dort immer Unmengen an Abfall anfallen: Während der Sommermonate beläuft sich diese auf rund 40 Tonnen pro Woche. Besonders Altglas, Aludosen und PET-Flaschen landen so im gemischten Abfallcontainer, obwohl es doch durchaus möglich sein sollte, diese zu trennen. Platz hat es am Rheinufer ja genug und wenn die Stadtreinigung mit ihren Wagen die engen Strassen bewältigen kann, dann könnte doch auch ein spezifischer Glas- oder Alucontainer wöchentlich geleert werden. Soweit sind wir jedoch noch nicht, da die Anzahl gesammelter Unterschriften ziemlich ernüchternd ist. Auf diversen Social-Media-Plattformen wurde der Link zur Online-Petition zwar gepostet und via Likes und Shares tatkräftig verbreitet, trotzdem konnten so erstaunlich wenig Unterschriften generiert werden. Interessanterweise war die erfolgversprechendste und effizienteste Art der Unterschriftensammlung einerseits das zeitintensive Ansprechen von Personen entlang des Rheinufers und das ebenfalls aufwändige, direkte Anschreiben von Mitmenschen - offenbar braucht es also diese persönliche Kontaktaufnahme auch noch im digitalen Zeitalter. Da mir diese Angelegenheit jedoch wichtig erscheint und grundsätzlich alle Menschen anspricht – egal, welcher politischer Gesinnung er oder sie ist –, konnte ich noch nicht aufgeben. Denn schliesslich sollte es ja irgendwie möglich sein, genügend Unterschriften für dieses Vorhaben zu sammeln; zumal die Verantwortung ja nicht mal auf die Konsumenten selbst übertragen wird, weshalb dieses Projekt realistische Chancen hat, auch effektiv umgesetzt zu werden. Aus diesem Grund werde ich anlässlich dieses Blog-Beitrags Flugblätter kreieren, die ich nächste Woche an die Abfallcontainer am Rheinufer heften werde. Womöglich ist dieser Approach innovativ und persönlich genug, um noch ein paar Personen zum Unterschreiben zu bewegen – bevor ich dann schliesslich den Gang ans Amt für Umwelt und Energie antreten werde. Trotz dem neulich aufkeimenden Optimismus bleibt allerdings dieser fahle Nachgeschmack übrig, dass es offensichtlich vielen Personen schon zu viel Aufwand bedeutet, sich mit Name und Adresse in ein Online-Formular einzutragen, um damit einen sinnvollen Vorstoss zu unterstützen. Da stellt sich natürlich schon die Frage, wie sich dann dieser Teil der Bevölkerung wohl bei Problemen und Anliegen von grösseren Proportionen verhalten werden, wo mehr Einsatz, Verzicht oder Anstrengung notwendig ist, um ein gewisses Ziel zu erreichen (Stichwort „Grüne Wirtschaft“). Wie wollen wir beispielsweise so etwas gegen den Klimawandel unternehmen, unseren Konsum von tierischen Produkten senken, wenn möglich häufig aufs Fliegen verzichten oder anstelle des Autos mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren? So gesehen handelt es sich bei dieser Petition um eine Art elementarer Kalibrierungstest im Bereich des Engagements und der Verantwortungsfähigkeit – ähnlich wie man die US-Präsidentschaftswahlen im kommenden Herbst als eine Art nationaler IQ-Test betrachten könnte; nur dass in unserem lokalen Fall eher einen Faulheits-Quotienten ermittelt wird (abgekürzt FQ, was interessanterweise sehr an das Wort „Fuck“ erinnert; ganz im Shakespeare'schen Sinne von „to give a fuck, or not to give a fuck, that is the question“). Um den Test also zu bestehen, musst du nicht mal deinen Arsch vom Sofa hocheben, sondern lediglich auf den Link unten klicken und ein paar Daten eintragen. That's it! Du musst nichts bezahlen, keine schwierigen Rechenaufgaben lösen, keinem Kult beitreten, kriegst keine physische Post (nur womöglich monatliche Spam-Mails resp. Informationen zu weiteren, globaleren Petitionen, die du allerdings abbestellen kannst) und musst dich weder körperlich noch geistig anstrengen. So please, give a fuck! http://www.thepetitionsite.com/de/790/375/541/mehr-recyclingsmöglichkeiten-entlang-des-rheinufers-in-basel PS: Es dürfen übrigens auch Nicht-BaslerInnen unterschreiben.
2 Comments
Kleines Update zur Recycling-Petition:
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And we did it! :-)
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SaoiAebiLebenskünstler, Philosoph, Hobbykoch, Balkongärtner, Freelanceaktivist, Lehrer, Katzen- und Tierfreund, Spirituosenliebhaber, Melancholiker, Musiker, Gesellschaftskritiker, Mensch, Lebewesen, Materie. Oder so. Archives
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