Nachdem ich hin und wieder auf meinen ersten Blogbeitrag angesprochen werde, weil sich Leute für die Schuhmarke Ethletic interessieren, welche – vereinfacht gesagt – Converse-ähnliche Schuhe produzieren, nur einfach ökologisch und fair; dachte ich, dass es Sinn machen könnte, einfach mal einen grösseren Überblick über die Fair & Eco Fashion Szene zu geben. Trotz der Überschaubarkeit ist es natürlich dennoch unmöglich, diesen Bereich in seiner Gänze abzudecken (u.a. weil zahlreiche Labels ziemlich neu sind), weshalb ich mich auf eine subjektive Auswahl beschränken werde, welcher ich schon irgendwo in der virtuellen oder realen Welt begegnet bin. Weitere Unternehmen und Marken dürfen aber gerne unten bei den Kommentaren aufgeschrieben werden.
Zunächst mal stellt sich dem Leser, der Leserin womöglich die Frage, weshalb es denn überhaupt eine solche Fair Fashion Revolution braucht, warum man nicht einfach weiter bei H&M, Zara und Co. einkaufen kann. Der erste Grund liegt auf der Hand: Ein T-Shirt für nur 7.95 CHF kann nicht unter menschenwürdigen Umständen hergestellt worden sein (und wir sprechen jetzt nicht mal von den Niedrigstpreisen eines Primark, dem wohl unangefochtenen König der Ausbeutung). Wobei: Könnte schon. Immerhin reichten bereits 20 Rappen mehr pro T-Shirt aus, wie die Clean Clothes Campaign vorrechnete, um den Textilarbeiterinnen (es sind vor allem Frauen, häufig leider auch Kinder) ein angemessen(er)es Leben zu garantieren – sofern dieses Geld natürlich direkt an die Arbeiterinnen gehen würde. Würde man also ein Basic-Shirt um lediglich die Hälfte des Preises erhöhen (das H&M-Shirt kostete dann neu 11.95 CHF), könnte man theoretisch einem Menschen in Bangladesh, Vietnam oder Kambodscha knapp einen Monat Verpflegung garantieren. Ausserdem könnte man dieses Geld in eine bessere und sichere Infrastruktur investieren, damit ein Unglück wie jenes im Jahr 2013 in Bangladesh verhindert werden könnte, als 1127 Menschen ums Leben kamen und fast 2500 weitere Arbeiterinnen verletzt wurden. Es sind solche Bilder, die sich in unser Gedächtnis einprägen; Bilder, wie wir sie in einigen mutigen und kritischen Dokumentationen wie „The True Cost“ sehen können. Bilder, welche häufig leider trotzdem nicht ausreichen, uns vor dem nächsten Kaufrausch zu bewahren. Dabei wird neben den sozialen und ethischen Problemen häufig auch der ökologische Faktor unseres Konsums ausgeblendet: Die Vergiftung ganzer Landschaftsabschnitte, die Verschwendung von Ressourcen oder die durch die Verschiffung verursachten Emissionen (meistens haben Kleidungsstücke von ihrem "Geburtsort" auf Baumwollplantagen bis zu ihrem effektiven Ziel als Produkt in einem Modegeschäft mehrere Kontinente bereist). Höchste Zeit also, etwas an unserem Konsumverhalten zu verändern. Denn in Verzicht üben muss man sich deshalb nicht (oder zumindest nicht zwingend). Es müssen in erster Linie die richtigen Alternativen her, die auf Nachhaltigkeit, soziale Standards und ökologische Rahmenbedingungen achten. Und von diesen alternativen Angeboten gibt es immer mehr. Auffällig dabei ist, dass die meisten dieser jungen Labels in Deutschland das Licht der Welt erblickten. Besonders Städte wie Berlin sind mittlerweile zu einer Art Mekka der Fair Fashion Szene geworden. In den letzten fünf Jahren stieg beispielsweise die Zahl der Aussteller an der Ethical Fashion Show, welche jährlich im Postbahnhof in Berlin stattfindet, von 39 auf 168 an. In der Schweiz hinken wir dieser Entwicklung indes noch etwas nach. Trotzdem ging auch bei uns (v.a. in Zürich und Bern) Ende April der Fashion Revolution Day dank der Mithilfe von Public Eye (ehemals "Erklärung von Bern") über die Bühne. Denn in der Schweiz gibt es auch immer mehr aufstrebende junge Labels und Stores, die sich der Fair & Eco Fashion verschrieben haben. Am progressivsten diesbezüglich ist wieder einmal Zürich, welche eine Reihe solcher Läden hat. Da gäbe es beispielsweise rrrevolve, Circle, Nudie Jeans Concept Store, Sanikai, Glore oder Melvins, um nur einige zu nennen (weitere Informationen zu diesen und weiteren Geschäften findet ihr übrigens auch auf der Seite Get Changed, welche im deutschsprachigen Raum einen sehr guten Überblick über das Angebot ethisch-produzierter Kleidung bietet). In der Hauptstadt Bern sind sicherlich die beiden Läden rrrevolve, Circle sowie STOOR Fashion zu nennen, welche ebenfalls beide ausschliesslich fair-gehandelte, ökologisch-produzierte Textilwaren anbieten. Einen Ableger der deutschen Fair-Fashion-Kette glore, welche bereits in Städten wie Hamburg, München oder Stuttgart präsent ist, gibt es neuerdings dafür in Luzern. Nur in Basel fehlt noch ein richtiges Ökomode-Flaggschiff. Stattdessen (oder: immerhin) findet man dort einige Geschäfte, welche eine Auswahl an Fair Fashion Marken anbieten, zum Beispiel Tarzan, Zooloose (im Moment verkauft der Laden an der Theaterstrasse, Zooloose Pure, noch Echtfell Pelzjacken, weshalb ich nur den neben der Markthalle liegenden Zooloose Market empfehlen kann), erfolg, Changemaker (beide gibt's übrigens schweizweit) oder Gingi (letzterer bietet vor allem vegane Schuhe, Gurte und Taschen an). Aber wie sieht denn diese Fair Fashion eigentlich überhaupt aus? Glücklicherweise nicht mehr so, wie es sich einige Personen womöglich immer noch vorstellen (also weder Hippie-Klamotten noch Oma-Strick-Style - obwohl letzteres ja auch wieder in Mode kommt). Um dies zu beweisen, habe ich mich für das Cover-Foto von Kopf bis Fuss mit unterschiedlichen Fair Fashion-Labels eingekleidet (siehe Foto unten): 1. Das französische Unternehmen Veja produziert ihre Schuhe in Brasilien und verwendet dabei häufig rezyklierte Baumwolle, nachhaltig-gewonnenen Kautschuk oder alte PET-Flaschen. Erstaunlich dabei ist vor allem auch die grosse Anzahl an unterschiedlichsten Formen, Farben und Designs für ein eigentlich eher kleines Unternehmen wie Veja. Besonders im Outlet des Online-Shops finden sich einige auffällige und ausgefallene Schnäppchen (sogar für Kleinkinder mit Grösse 22). Ebenfalls empfehlenswert sind die Schuhe von Ethletic, welche ich anfangs bereits erwähnt habe. Diese sind gemäss der unabhängigen Plattform Rank a Brand sogar auf dem ersten Platz was Nachhaltigkeit, Ökologie und Fairtrade anbelangt (weshalb das Unternehmen 2016 auch den Fairtrade Award in der Kategorie „Hersteller“ gewonnen hat). Sympathisch ist diesbezüglich auch, dass bei der Produktion gänzlich auf tierische Produkte verzichtet wird (auch Veja ist übrigens mittlerweile bestrebt, vermehrt auch vegane Schuhe anzubieten). In diesem Bereich punkten auch andere Unternehmen wie ekn, Toms (Motto: "Für jedes verkaufte Paar Schuhe gibt TOMS ein Paar neue Schuhe an ein Kind in Not"), MacBeth (eine Schuhmarke, welche übrigens vom "Blink 182"-Sänger, Tom DeLonge, gegründet wurde), Beyondskin oder Wills London, wobei besonders die beiden Letzteren mit Produkten im authentischen Lederlook überzeugen, obschon es sich dabei um gänzlich vegane Schuhe handelt. 2. Auch wenn dies auf dem Foto schlecht ersichtlich ist: Selbst Socken können „bio“ sein. Wieso eigentlich auch nicht? Dies hat sich wohl auch die Migros gedacht und mit ihrer Linie Bio Cotton einige Produkte angeboten, welche vor allem Unterwäsche und Socken umfassen, aber auch einige T-Shirts, Hemden oder Trainerhosen. Wer es bezüglich Socken etwas ausgefallener mag, kann sich übrigens auch ein Paar (paar?) von Braintree kaufen. 3. Erfreulicherweise gibt es auch einige Unternehmen, welche sich auf Jeans respektive Denim-Stoffe spezialisiert haben. Auf dem Bild sieht man eine dunkelgraue Jeans der Marke K.O.I., was eigentlich für Kings of Indigo steht, aber halt nicht so interessant klingt wie der japanische Edelkarpfen. Gemeinsam mit dem Label MUD Jeans, welches übrigens mit „Lease a Jeans“ eine sehr interessante und innovative Idee verfolgt, steht K.O.I. an der Spitze der Nachhaltigkeit in der Sparte Jeans. Auch Nudie Jeans (übrigens in einigen der oben aufgelisteten Schweizer Ökomode-Geschäfte zu finden), Kuyichi oder Wunderwerk bieten tolle und eben auch fair gehandelte, ökologisch produzierte Jeans an. 4. Der Detailhändler Coop will mit seiner Naturaline ebenfalls im Bereich der nachhaltigen Mode mitmischen und bietet in den Coop City Shops mittlerweile zahlreiche solche Kleidungsstücke an. Auf dem Bild (nur knapp) zu sehen: Eine bequeme Boxershorts. 5. Juniqe ist eigentlich weniger ein Fair-Fashion-Unternehmen als eine gigantische Datenbank an Designs, welche man auf T-Shirts, Pullover, Handyhüllen oder Duschvorhänge drucken kann. Im Bereich der Textilien setzt Junique auf eine Zusammenarbeit mit der Firma Stanley Stella, welche alle namhaften Standards wie GOTS, OEKO-TEX oder FWF erfüllt. In diesen Unmengen von künstlerischen Hipster-Motiven fand ich unter anderem jenes mit dem roten Fuchs am Abgrund eines fliegenden Waldes. Ziemlich abgespaced, I know. ;-) 6. Über den Hoodie von Recolution bin ich mal in München gestolpert, als ich auf der Suche nach Spirituosen aus biologischer Produktion war (jep, auch dort könnte/sollte man auf Nachhaltigkeit achten). Ein paar Strassen weiter stiess ich zufällig auf einen kleinen Laden, welche den ebenfalls GOTS-zertifizierten Pullover im Inventar hatten. Der „Global Organic Textile Standard“ ist übrigens ein weltweit gültiger Standard im Bereich von biologisch erzeugten Textilien. 7. Was ich am Label Armedangels liebe, ist die grosse Vielfalt an Produkten. So findet man im Webshop nicht nur diese – im doppelten Sinne – glänzende Sommerjacke aus Biobaumwolle und rezykliertem Polyester, sondern auch unzählige bedruckte T-Shirts sowie Hemden, Jeans oder Pullover. Ausserdem stimmen die Preise, so dass nur Primark-verwöhnte (resp. -manipulierte) Köpfe daran etwas auszusetzen haben (übrigens einer der Hauptargumente resp. -ausreden, weshalb man nicht häufiger bei Fair Fashion zugreift – gemeinsam natürlich mit der in der Schweiz momentan leider noch spärlich gesäten Verfügbarkeit solcher Produkte). 8. Die Marke Bleed hat sich unter anderem auf die Produktion von Kork-Produkten spezialisiert. Neben dem aus Kork (35%) und Altpapier (65%) bestehendem Portemonnaie gibt es auch Gürtel, Rucksäcke oder Laptop-Hüllen aus der Rinde von Korkeichen. Sogar vegane Jacken in einer authentischen Lederoptik findet man auf der Website. Daneben gibt es dort auch die üblichen Verdächtigen wie Hoodies, Hemden oder Hosen. 9. Ich weiss gar nicht mehr genau, wo ich auf die Mütze von KnowledgeCotton Apparel gestossen bin, sie war jedoch eine meiner ersten Anschaffungen im Bereich der Fair Fashion. Später gesellte sich dann irgendwann noch ein kryptisches T-Shirt ebendieser Marke aus Amsterdam dazu (der Fuchs von Juniqe hat jedoch das Shirt-Duell gewonnen). KnowledgeCotton Apparel bietet übrigens nur Mode für Herren an, was in der „frauenzentrierten“ Modewelt doch eher einer Seltenheit gleichkommt, und hat eine grosse Auswahl an Jacken, Blazer und Hemden. 10. Und um den Kreis zu schliessen, hören wir dort auf, wo wir angefangen haben, nämlich bei Veja, wo ich diesen treuen Rucksack vor einer Weile gekauft habe. Natürlich gibt es noch weitere Unternehmen, die ökologisch oder fair hergestellte Taschen anbieten. Als Pionier ist hier sicherlich Freitag zu nennen, welche seit den 90er Jahren bereits Wirbel in der Modewelt machten. Mittlerweile hat sich auch Qwstion einen Namen als Hersteller von ökologischen Backpacks gemacht. Die Freude an Mode und der Konsum von Textilien ist also nicht unvereinbar mit einem fairem Lohn, biologischen Anbau von Baumwolle oder nachhaltigem Umgang mit Ressourcen. Man muss sich auch nicht per se im Verzicht üben, auch wenn ein bisschen Konsum-Entschlackung sicherlich nicht schaden würde (oder wie wäre es stattdessen mal mit einem Besuch beim Second-Hand-Geschäft?). Man muss lediglich genau hinschauen, vergleichen und die richtigen Schlüsse ziehen. Ein Teil davon wurde mit diesem Beitrag schon gemacht. The rest is up to you.* *Das stimmt natürlich so nicht ganz. Denn in meinem Text wurde jetzt die Rolle der Textilgiganten wie H&M und Co. und deren Pflichten ausgeblendet. Da diese allerdings zurzeit noch zu viel „Greenwashing“ betreiben, also sich lediglich in der Öffentlichkeit als verantwortungsbewusstes und umweltfreundliches Unternehmen präsentieren, ohne dabei jedoch tatsächlich Beweise dafür zu liefern, möchte ich die Werbetrommel lieber für die kleineren Unternehmen schwingen. Falls ihr jedoch trotzdem in einem dieser mächtigen Textilhandelsunternehmen landen solltet, empfehle ich beim Personal bezüglich ökologischer oder sozialer Standards nachzufragen (kann auch via Mail geschehen). Denn dort besteht am meisten Handlungsbedarf.
5 Comments
Anna
25/4/2019 03:14:36 am
Gibt es Online-Shops, die du empfehlen würdest?
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Hallo Anna
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Nora
25/4/2019 12:24:42 pm
Hallo, danke für die Übersicht! In Bern auch zu empfehlen ist die Onix Boutique mit zwei Shops, Petite Plus und Petite Puce. Weiter findet sich ein grosses Angebot an Fairfashion im Kitchener. Auch zu empfehlen ist der Laden Stoor in der Berner Altstadt.
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28/9/2022 05:11:20 am
Hier ein 2022/2023 Update zu fairen, nachhaltigen, veganen Winterjacken: https://www.facebook.com/simon.aeberhard.1/posts/pfbid02B8u8uvUXotztkz4pdU8htjvbNHQ2aNwBgpwvkWiyZnstXxEfDrsr1zGZgv7yVZU3l
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